Immer mehr Arzt- und Zahnarztpraxen geraten in den Fokus privater Investoren – eine Entwicklung, die bei Ärzteverbänden in Bayern zunehmend Besorgnis auslöst. Während sogenannte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) grundsätzlich als moderne Antwort auf den Ärztemangel gelten, stehen insbesondere investorengetragene MVZ (iMVZ) massiv in der Kritik. Der Vorwurf: Wirtschaftliche Interessen könnten zunehmend über das Wohl der Patientinnen und Patienten gestellt werden.
Ein Beispiel für ein ärztlich geführtes MVZ ist die Frauenarztpraxis von Katharina Hörner. Von der Zentrale in Ingolstadt aus betreibt sie drei weitere Standorte, beschäftigt insgesamt 36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sieht in der Größe ihres MVZ klare Vorteile. Für die Patientinnen bedeute das eine verlässliche Versorgung ohne Schließzeiten, etwa während der Sommerferien. Zudem ermögliche die Struktur einen schnellen fachlichen Austausch unter den Ärztinnen. „Die Versorgung kann immer angeboten werden“, betont Hörner.
Doch gerade die Größe und Professionalität mancher MVZ weckt auch Skepsis – vor allem dann, wenn sie nicht von Ärztinnen oder Ärzten selbst geführt werden. Auch Hörner warnt vor bestimmten Konstruktionen: Hinter manchen MVZ stünden „knallharte Wirtschaftler“, die vor allem Zahlen im Blick hätten. Medizinische Entscheidungen könnten dadurch unter wirtschaftlichen Druck geraten.
Diese Sorge teilen auch die Ärzteverbände. Der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes, Wolfgang Ritter, sieht klare Unterschiede zwischen klassischen Großpraxen und investorengetragenen MVZ. Nach seinen Beobachtungen würden iMVZ seltener Hausbesuche anbieten und sich weniger an der Versorgung von Alten- und Pflegeheimen beteiligen – also genau dort, wo der Betreuungsaufwand besonders hoch ist.
Bereits im September hatten mehrere Institutionen gemeinsam Alarm geschlagen: die Bayerische Ärztekammer, die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, der Hausärzteverband sowie der Sozialverband VdK warnten vor einer „nie da gewesenen Entwicklung“. Besonders deutlich zeigt sich der Trend in einzelnen Fachrichtungen. In der Radiologie seien seit 2021 rund 90 Prozent der Übernahmen von Großpraxen durch Investorengruppen erfolgt. In der Augenheilkunde hätten internationale Investoren bundesweit bereits mehr als 500 Praxen übernommen – innerhalb von nur drei Jahren habe sich diese Zahl verdreifacht.
Die Kritik richtet sich dabei nicht nur gegen die Struktur, sondern auch gegen mögliche Folgen für Patientinnen und Patienten. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Christian Pfeiffer, warnt davor, dass iMVZ besonders auf wirtschaftlich lukrative Fälle fokussiert sein könnten. Patienten mit hohem Betreuungsbedarf würden dort deutlich seltener behandelt als in klassischen Hausarztpraxen, so Pfeiffer.
Auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns erhebt schwere Vorwürfe. Ihr Vorstandsvorsitzender Rüdiger Schott erklärt, dass in investorengetragenen Zahnarztpraxen teilweise deutlich mehr Leistungen abgerechnet würden als nötig. In bestimmten Fällen lägen die Abrechnungen um 30 bis 50 Prozent höher als beim „Haus-Zahnarzt“. Das wecke Zweifel daran, ob medizinische Notwendigkeit oder wirtschaftliche Optimierung im Vordergrund stehe.
Die Betreiber von iMVZ weisen diese Kritik zurück und sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Sie argumentieren, dass größere Strukturen Effizienz, moderne Ausstattung und attraktive Arbeitsbedingungen für junge Ärztinnen und Ärzte böten. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels könnten Investoren helfen, Praxen zu sichern und Versorgungslücken zu schließen.
Doch die Debatte zeigt: Es geht längst nicht mehr nur um Organisationsformen, sondern um Grundsatzfragen der Gesundheitsversorgung. Wie viel Wirtschaftlichkeit verträgt die Medizin? Und wie lässt sich sicherstellen, dass Patienteninteressen auch dann im Mittelpunkt stehen, wenn Investoren mit am Tisch sitzen? In Bayern – und darüber hinaus – dürfte diese Diskussion weiter an Schärfe gewinnen.
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