Gesundheitstipps sind auf TikTok, Instagram und YouTube allgegenwärtig – und oft nur einen Wisch entfernt. Doch was viele Jugendliche täglich konsumieren, ist nicht selten ein Mix aus gefährlichem Halbwissen, überzogenen Heilversprechen und unterschwelliger Werbung. Ein Forschungsprojekt der Hochschule MCI Innsbruck möchte das ändern – und holt dafür ausgerechnet jene ins Boot, die am stärksten betroffen sind: die Jugendlichen selbst.
„Man kennt sich gar nicht mehr aus“ – Jugendliche zwischen Wundermittel und Wirklichkeitsverlust
Für die 17-jährige Valeria aus Innsbruck ist die tägliche Informationsflut längst zur Belastung geworden.
„Jeder sagt etwas anderes – was stimmt jetzt und was ist einfach nur Schmarrn?“, fragt sie frustriert.
Was sie meint, sehen Millionen junger Menschen täglich:
-
Pulver, die „über Nacht Muskeln bauen“ sollen.
-
Cremes, die angeblich Poren verschwinden lassen.
-
Pillen für schönes Haar oder bessere Konzentration.
-
„Entgiftungs“-Kuren, die weder nötig noch wirksam sind.
Und fast immer endet es mit: Swipe up, Jetzt bestellen, Nur heute 20 Prozent Rabatt.
Soziale Medien sind längst mehr als Unterhaltung – sie sind ein riesiger Marktplatz für Gesundheitsversprechen, die oft weder geprüft noch harmlos sind.
Workshop statt Werbefalle – Jugendliche entwickeln eigene Gesundheitskampagnen
Um dem etwas entgegenzusetzen, arbeitet die Innsbrucker Forschungsgruppe mit Schülerinnen und Schülern zusammen. Valerias Klasse nimmt an einem Workshop teil, in dem sie gemeinsam überlegen:
-
Wie sieht seriöse Gesundheitskommunikation in sozialen Medien aus?
-
Was unterscheidet wissenschaftlich fundierte Tipps von Marketingstrategien?
-
Welche Inhalte erreichen Jugendliche tatsächlich?
Dabei schlüpfen die Schülerinnen und Schüler selbst in die Rolle von Content-Creatorinnen und -Creatorn und entwerfen eigene Kampagnen – mit echten Fakten statt falschen Versprechen.
Fehlinformationen – warum sie sich so leicht verbreiten
Dass Influencerinnen und Influencer eine so große Rolle spielen, liegt laut Elena Engel, Kommunikationswissenschaftlerin am MCI, vor allem an einem Problem:
Die meisten haben keinerlei medizinische Ausbildung – aber viel Reichweite.
„Viele geben Ratschläge, für die ihnen die Expertise fehlt“, sagt Engel. Die Folge: Unsichere oder sogar gefährliche Empfehlungen.
Besonders beliebt seien laut dem Projektleiter Raffael Heiss:
-
Nahrungsergänzungsmittel ohne Wirksamkeitsnachweis
-
stark verarbeitete Lebensmittel
-
Produkte, die lediglich dank guter Inszenierung „gesund“ wirken
Der wissenschaftliche Hintergrund bleibe dabei meist auf der Strecke.
Neue Studie: Influencer prägen das Gesundheitsverhalten junger Menschen massiv
Eine aktuelle Studie, veröffentlicht im British Medical Journal, bestätigt diesen Trend eindrucksvoll. Sie wurde unter anderem von Heiss und Engel mitverfasst.
Die Ergebnisse:
-
Über 80 Prozent der 15- bis 25-Jährigen konsumieren Gesundheitsinhalte von Influencern.
-
Ein Drittel hat aufgrund solcher Inhalte schon Nahrungsergänzungsmittel gekauft.
-
13 Prozent wurden sogar zum Kauf von Medikamenten motiviert – ohne ärztliche Beratung.
-
11 Prozent bestellten medizinische Selbsttests, weil Influencer sie beworben hatten.
Die Zahlen zeigen deutlich: Influencerinnen und Influencer wirken heute wie digitale Gesundheitsberater – nur ohne Kompetenz, Kontrolle oder Haftung.
Fazit: Gesundheitskompetenz muss dorthin, wo Jugendliche sind – ins Netz
Das Innsbrucker Projekt will genau dort ansetzen. Statt vor der Flut an fragwürdigen Tipps zu kapitulieren, sollen Jugendliche lernen, sie zu hinterfragen. Der Ansatz: nicht belehren, sondern befähigen.
Der Workshop zeigt bereits, wie groß der Bedarf ist. Und er macht deutlich: Wer heute junge Menschen erreichen will, braucht nicht nur medizinisches Wissen, sondern muss auch verstehen, wie digitale Kommunikation funktioniert – und wie Influencer ticken.
Kommentar hinterlassen