Künstliche Intelligenz ist längst in der deutschen Arbeitswelt angekommen – und mit ihr wächst die Sorge um Arbeitsplätze, Sozialabgaben und die Zukunft des Sozialstaats. Aktuelle Erhebungen zeigen, dass bereits rund jedes vierte Unternehmen in Deutschland KI einsetzt, bei großen Unternehmen sogar mehr als die Hälfte. Während Politik und Wirtschaft häufig die Chancen betonen, rückt zunehmend eine unbequeme Frage in den Fokus: Was passiert mit Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, wenn durch KI weniger Menschen arbeiten und einzahlen?
Daten des Statistisches Bundesamt belegen die Dynamik: KI wird nicht mehr getestet, sondern produktiv genutzt. Gleichzeitig wächst die Unsicherheit, ob dieser technologische Fortschritt langfristig mehr Arbeitsplätze schafft oder vernichtet. In der öffentlichen Debatte – etwa im Kontext der Rentenreform – wird diese Frage immer drängender.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verweist auf eine offene, gestaltbare Entwicklung. Ob KI im Saldo zu Jobverlusten führe, sei nicht entschieden. Man setze darauf, dass neue Tätigkeiten entstehen und die Gesamtbeschäftigung stabil bleibe. Grundlage dieser Einschätzung sind unter anderem Prognosen des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die in den kommenden 15 Jahren ein stark steigendes Bruttoinlandsprodukt durch KI erwarten – bei gleichzeitigen Verschiebungen am Arbeitsmarkt.
Doch diese Sichtweise teilen nicht alle. Das ifo-Institut kommt in einer Umfrage zu einem ernüchternden Ergebnis: Mehr als ein Viertel der Unternehmen rechnet damit, dass KI in den nächsten fünf Jahren Stellen abbauen wird – im Durchschnitt um rund acht Prozent. Das würde die Finanzierungsbasis des Sozialstaats unmittelbar treffen, denn dieser wird in Deutschland vor allem über Lohnsteuern und Sozialabgaben getragen.
Besonders kritisch sehen Gewerkschaften die bisherige politische Zurückhaltung. ver.di warnt davor, sich allein auf Wachstumseffekte zu verlassen. Wenn Unternehmen dank KI höhere Gewinne erzielen, aber weniger Beschäftigte haben, entstünde eine strukturelle Finanzierungslücke. Die oft diskutierte „Roboter-“ oder KI-Steuer halten Experten allerdings für kaum praktikabel – zu hoch seien der bürokratische Aufwand und die Abgrenzungsprobleme.
Stattdessen werden alternative Modelle diskutiert. Das ifo-Institut bringt eine stärkere Besteuerung von Kapitalerträgen ins Spiel: Steigen Gewinne durch KI-Einsatz, könnten diese stärker zur Finanzierung des Sozialstaats herangezogen werden. Andere Vorschläge zielen auf Anpassungen bei Spitzensteuersätzen oder auf Reformen der Erbschaftssteuer. Kritiker warnen jedoch vor Standortnachteilen und einer Abwanderung hochqualifizierter KI-Fachkräfte.
Einigkeit besteht zumindest in einem Punkt: Ohne aktive Gestaltung drohen soziale Verwerfungen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten stärker in KI-Einführungen eingebunden werden, und Weiterbildung werde entscheidend, um Beschäftigte in neue Tätigkeiten zu führen. Ob das ausreicht, um Einnahmeverluste des Sozialstaats auszugleichen, bleibt offen.
Die Debatte zeigt: KI ist nicht nur eine technologische, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Die Frage, wer künftig in die Sozialsysteme einzahlt, ist noch unbeantwortet – und dürfte in den kommenden Jahren zu den zentralen politischen Konfliktlinien gehören.
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