Startseite Allgemeines Wenn jedes zerfledderte Geldscheinchen zählt: Warum ein junger Mann in Gaza stundenlang Banknoten repariert
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Wenn jedes zerfledderte Geldscheinchen zählt: Warum ein junger Mann in Gaza stundenlang Banknoten repariert

geralt (CC0), Pixabay
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Inmitten eines geschäftigen Marktes in Gaza-Stadt sitzt Baraa Abu al-Aoun an einem wackeligen Tisch, beugt sich über einen zerknitterten, fast farblosen 100-Schekel-Schein und beginnt zu arbeiten. Mit Lineal, Bleistift, Farbstiften und etwas Klebstoff haucht er dem abgenutzten Papier neues Leben ein. Jede Linie sitzt, jeder Farbstrich ist präzise gesetzt.

Eigentlich sollte der junge Mann heute an einer Universität studieren. Stattdessen verdient er seinen Lebensunterhalt damit, beschädigte Banknoten zu reparieren – ein Handwerk, das im Gazastreifen nach dem Krieg plötzlich unverzichtbar geworden ist.

Ein neues Geschäftsfeld, geboren aus Not

Seit dem Hamas-geführten Angriff auf Israel 2023 und dem verheerenden Krieg, der darauf folgte, hat sich das Finanzsystem in Gaza dramatisch verändert. Israel hat die Lieferung neuer Banknoten gestoppt. Gleichzeitig wurden zahlreiche Banken zerstört oder geplündert.

Obwohl einige Filialen seit dem Waffenstillstand vor sieben Wochen wieder geöffnet haben, bleibt die Lage prekär: Es gibt keine funktionierenden Geldautomaten, keine Bargeldtransfers – und kaum Möglichkeiten, an frische Scheine zu kommen.

Doch die Menschen benötigen Bargeld für Lebensmittel, Medikamente und den täglichen Bedarf. Not macht erfinderisch: Immer mehr greifen auf inoffizielle Geldhändler zurück, die digitale Überweisungen gegen horrende Gebühren in Bargeld umwandeln. Andere nutzen verstärkt E-Wallets und Geldtransfer-Apps.

In dieser Krise wird jeder existierende Geldschein wertvoll – egal wie beschädigt.

Baraa und sein improvisiertes Banknotenzentrum

Hier kommt Baraa ins Spiel. Der 100-Schekel-Schein, den er vorsichtig glättet, ist durch viele Hände gegangen, hat Kriege und Blockaden überstanden und ist dennoch unersetzlich.

„Meine Werkzeuge sind einfach: ein Lineal, Bleistifte, Farbstifte und Kleber“, sagt er. Mehr braucht er nicht, um Banknoten wieder nutzbar zu machen.

Er sitzt an einem kleinen Tisch am Straßenrand, während Käufer und Händler um ihn herum lautstark verhandeln. Für wenige Schekel pro Note sorgt er dafür, dass das Geld noch ein paar weitere Transaktionen übersteht.

Ein Waffenstillstand ohne wirtschaftliche Erleichterung

Der seit Wochen geltende Waffenstillstand verändert für Baraa wenig. „Die finanzielle Situation hat sich nicht verbessert“, sagt er. „Ich tue, was ich kann, um den Menschen zu helfen.“

Seine Arbeit ist mehr als ein Geschäft – sie ist ein Dienst an einer Gemeinschaft, die seit Monaten ohne funktionierende Finanzinfrastruktur auskommen muss. In Gaza ist Bargeld nicht nur ein Zahlungsmittel, sondern eine Überlebensfrage.

Wenn aus einem Stück Papier ein Hoffnungsschimmer wird

Der Wert von Baraas Arbeit liegt nicht nur im Geld, das er repariert. Er zeigt, wie Widerstandskraft, Kreativität und improvisiertes Können in Krisengebieten plötzlich essenziell werden.

Jeder restaurierte Schein ist ein Stück Hoffnung, ein weiteres Geschäft, eine weitere Mahlzeit – ein kleiner, aber bedeutender Beitrag dazu, dass das wirtschaftliche Leben in Gaza nicht völlig zum Erliegen kommt.

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