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Warum Insolvenzverwalter Anlegerforderungen oft nicht anerkennen

geralt (CC0), Pixabay
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Ein Bericht für betroffene Anleger – am Beispiel großer Insolvenzverfahren wie DEGAG, Wirecard oder P&R

Viele geschädigte Anleger hoffen nach dem Zusammenbruch eines Unternehmens, zumindest einen Teil ihres eingesetzten Geldes über das Insolvenzverfahren zurückzubekommen. Doch oft folgt die Ernüchterung schnell: Der Insolvenzverwalter erkennt die Forderung nicht an. Stattdessen erhalten Anleger ein ablehnendes Schreiben – ohne nähere Begründung oder mit formalen Hinweisen. Warum ist das so?

Gerade in Verfahren mit tausenden Betroffenen, wie bei DEGAG, P&R-Containern oder der Wirecard-Insolvenz, lehnen Verwalter Anlegerforderungen regelmäßig ganz oder teilweise ab. Das hat juristische, wirtschaftliche und strategische Gründe.

⚖️ 1. Juristische Gründe: Nicht jede Forderung ist auch eine rechtlich anerkannte

Viele Anleger gehen davon aus:
„Ich habe investiert – also steht mir mein Geld zu.“

Doch juristisch betrachtet ist ein Investment nicht automatisch ein Rückzahlungsanspruch. Der Insolvenzverwalter prüft:
War das Kapital eine Einlage? Ein Darlehen? Oder ein sogenanntes Nachrangdarlehen?

Typische Ablehnungsgründe:

  • Nachrangregelungen im Vertrag: Anleger stehen im Rang hinter allen anderen Gläubigern – sie bekommen im Zweifel nichts.

  • Atypisch stille Beteiligung: Der Vertrag sah unternehmerisches Risiko vor, kein Rückzahlungsversprechen.

  • Fälligkeit fehlt: Manche Verträge sehen Kündigungsfristen oder Mindestlaufzeiten vor, die noch nicht erreicht sind.

  • Formfehler bei der Forderungsanmeldung: Unvollständige Angaben oder fehlende Nachweise.

  • Anfechtungsrisiken: Falls der Verwalter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kapitalanlage hat (z. B. bei Verdacht auf Schneeballsystem), wird vorsichtshalber abgelehnt.

💰 2. Wirtschaftliche Taktik: Weniger Gläubiger = mehr für die Masse

Der Insolvenzverwalter verwaltet die sogenannte Insolvenzmasse – also alles, was noch an Vermögenswerten vorhanden ist. Jeder Gläubiger, dessen Forderung anerkannt wird, bekommt einen prozentualen Anteil davon.

Je weniger Forderungen anerkannt werden, desto höher ist der Anteil für die übrig gebliebenen –
dazu zählen auch größere institutionelle Gläubiger, Banken oder sogar der Verwalter selbst (dessen Vergütung sich prozentual nach der Masse richtet).

🤖 3. Rolle des Verwalters: Vertreter der Masse, nicht der Anleger

Wichtig zu wissen: Der Insolvenzverwalter ist nicht der Anwalt der Anleger.
Sein gesetzlicher Auftrag lautet:

  • Die Insolvenzmasse zu sichern,

  • berechtigte Forderungen zu erfüllen,

  • und unberechtigte Forderungen abzuwehren.

Gerade bei Kapitalanlagen mit hohem Risiko – wie Genussrechten, Nachrangdarlehen oder Fondsbeteiligungen – prüft der Verwalter streng, ob überhaupt ein Rückzahlungsanspruch besteht oder ob der Verlust „Teil des Geschäftsmodells“ war.

⚠️ 4. Strategie: Ablehnung auf Vorrat – mit Klageaufforderung

In vielen großen Insolvenzverfahren ist inzwischen eine „Politik der Pauschalablehnung“ zu beobachten. Das bedeutet:

„Ihre Forderung wird nicht anerkannt, da sie nicht hinreichend belegt ist.“

Oft ist das standardisiert formuliert – ohne konkrete Mängel zu benennen.

Folge: Der Anleger muss aktiv werden und innerhalb kurzer Frist Klage einreichen (§ 179 InsO), um seine Forderung feststellen zu lassen. Viele scheuen diesen Schritt – aus Kostengründen, Unsicherheit oder weil ihnen die juristische Durchsetzungskraft fehlt.

Das spielt der Insolvenzmasse in die Hände: Weniger Klagen = weniger auszuzahlen.

🧾 Fazit: Strategie mit System – und Nachteilen für Kleinanleger

In großen Anlegerverfahren lautet die Devise häufig:
Erstmal alles ablehnen – wer klagt, kann es versuchen.

Rein rechtlich ist dieses Vorgehen abgesichert. Doch es ist auch strategisch motiviert: Weniger anerkannte Gläubiger bedeuten mehr für die Masse – und weniger Verwaltungsaufwand.

Für viele Kleinanleger, die durch irreführende Vertriebsversprechen oder dubiose Geschäftsmodelle geschädigt wurden, bedeutet das:
Sie stehen erneut vor einer Hürde, obwohl sie auf einen gerechten Ausgleich gehofft hatten.

📌 Tipp für Betroffene:
Wer ein Ablehnungsschreiben erhalten hat, sollte nicht vorschnell aufgeben.
Eine anwaltliche Prüfung kann zeigen, ob sich ein Vorgehen lohnt – oder ob die Ablehnung rechtlich angreifbar ist.
In vielen Fällen ist eine gerichtliche Feststellung der einzige Weg, überhaupt noch eine Auszahlung zu erhalten.

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