Die französische Anti-Terror-Staatsanwaltschaft hat eine Klage gegen den Energiekonzern TotalEnergies angenommen. Hintergrund sind schwerste Vorwürfe zu Menschenrechtsverletzungen auf dem Gelände eines Flüssiggasprojekts des Unternehmens im Norden Mosambiks. Das Europäische Zentrum für Menschenrechte (ECCHR) wirft Total Beihilfe zu Kriegsverbrechen, Folter und Verschwindenlassen vor.
Hintergrund: Konfliktregion Cabo Delgado
Seit 2017 wird die Provinz Cabo Delgado im Nordosten Mosambiks immer wieder von Angriffen islamistischer Milizen erschüttert. Die Gruppe gilt als Ableger des sogenannten „Islamischen Staats“ in Ostafrika. Dörfer wurden überfallen, Menschen vertrieben, die Sicherheitslage verschlechterte sich dramatisch.
TotalEnergies investierte in der Region rund 20 Milliarden Dollar in den Aufbau eines großen LNG-Projekts. Zur Absicherung des Areals stellte der Konzern ab 2020 Soldaten der mosambikanischen Armee ein – eine Truppe, die international schon wiederholt wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stand.
Die Vorwürfe: „Container-Massaker“ im Sommer 2021
Recherchen der US-Zeitung „Politico“ beschreiben ein mutmaßliches Massaker, das sich im Frühjahr und Sommer 2021 auf dem Areal der Anlage ereignet haben soll:
- Hunderte Dorfbewohner suchten nach Angriffen der Miliz Schutz auf dem Total-Gelände.
- Soldaten der Armee – laut Recherchen ausgerüstet und bezahlt von Total – sollen Männer, die sie verdächtigten, mit der Miliz zu kooperieren, in Schiffscontainer gesperrt haben.
- Zwischen 180 und 250 Männer sollen dort über Wochen eingepfercht gewesen sein.
- Nur 26 Personen sollen überlebt haben; viele starben offenbar durch Ersticken, Misshandlungen oder Nahrungsmangel.
Die Misshandlungen sollen sich über rund drei Monate erstreckt haben.
Die Klage: Beihilfe zu internationalen Verbrechen
Das ECCHR wirft Total vor, durch seine enge Kooperation mit den beteiligten Soldaten Verantwortung zu tragen. Auch wenn der Konzern nicht selbst Gewalt angewendet habe, stehe im Raum, dass er strukturell Bedingungen geschaffen habe, die solche Taten ermöglichten.
Die Klage richtet sich formell gegen den Konzern sowie gegen Führungskräfte in Frankreich.
Die zuständige französische Behörde – die PNAT – hat bestätigt, die Klage zu prüfen.
Reaktion des Unternehmens
TotalEnergies weist die Vorwürfe entschieden zurück.
In einer Stellungnahme heißt es:
- Das Unternehmen habe keine Kenntnis über die geschilderten Ereignisse gehabt.
- Nach einem Angriff der Miliz im April 2021 sei das Projekt weitgehend evakuiert worden.
- Auf dem Gelände seien danach nur noch Soldaten zur Sicherung stationiert gewesen.
Im Oktober 2025 kündigte Total gleichwohl an, das LNG-Projekt – nach jahrelanger Unterbrechung – wieder aufnehmen zu wollen. Geplanter Neustart: 2029.
Politische und wirtschaftliche Tragweite
Der Fall könnte erhebliche Auswirkungen haben:
- Für Total: Sollte der Verdacht erhärtet werden, drohen langjährige Ermittlungen, Imageschäden und möglicherweise Strafverfahren gegen Verantwortliche.
- Für Frankreich: Die Justiz befasst sich zunehmend mit mutmaßlichen Verstrickungen französischer Unternehmen in Konfliktgebieten.
- Für Mosambik: Der ohnehin fragile Friedensprozess in Cabo Delgado könnte erneut Aufmerksamkeit erhalten – insbesondere im Hinblick auf das Verhalten der Armee.
Wie es weitergeht
Die französische Staatsanwaltschaft wertet nun das umfangreiche Material aus. Der Fall wird als komplex eingestuft, da sich mutmaßliche Taten in einem Kriegsgebiet ereigneten und zahlreiche Zeugen schwer zu erreichen sind.
Ein schnelles Ergebnis ist nicht zu erwarten. Klar ist jedoch: Die Annahme der Klage bedeutet, dass die Vorwürfe nun erstmals offiziell in einem europäischen Land untersucht werden – mit potenziell weitreichenden Konsequenzen für den Konzern.
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