Immer mehr junge Amerikaner, vor allem Männer in ihren Zwanzigern und Dreißigern, strömen in die russisch-orthodoxen Kirchen der USA. Was sie suchen? Männlichkeit, Halt, klare Rollenbilder – und ein spirituelles Gegenmodell zum liberalen Mainstream.
„Absurde Männlichkeit“ statt Skinny Jeans
Einer der prominentesten Vertreter dieser neuen Orthodoxie-Welle ist Pater Moses McPherson aus Georgetown, Texas. Der muskulöse Fünffach-Vater predigt in YouTube-Videos über „echte Männlichkeit“ – und warum Suppenessen, Hosenbügeln oder das Überschlagen der Beine „zu weiblich“ sei. Seine Mischung aus Gewichtheben, Bartpflege und byzantinischer Liturgie hat ihm nicht nur eine verdreifachte Gemeinde in 18 Monaten beschert, sondern auch eine wachsende Online-Fangemeinde.
Orthodoxie als Ausweg aus moderner Orientierungslosigkeit
Konvertiten wie Theodore, ein Software-Ingenieur, berichten von innerer Leere trotz Karriere, Haus und Ehe. Für sie ist die russisch-orthodoxe Kirche eine Antwort auf eine Gesellschaft, in der traditionelle männliche Werte zunehmend infrage gestellt werden. Themen wie Hausfrauenehe, Kinder statt Karriere und Gottesdienst statt Genderdebatte sind für viele Konvertiten keine Provokation – sondern Lebensziel.
Ein Glaube, zwei Wege: Zölibat oder Großfamilie
In der Orthodoxie gibt es laut Pater Moses zwei Wege zu Gott: Mönch oder Ehemann. Wer sich für Ehe entscheidet, solle auf Verhütung verzichten und „so viele Kinder wie möglich bekommen“. Masturbation nennt er „armselig und unmännlich“. Homeschooling gilt als selbstverständlich – nicht nur religiös motiviert, sondern auch als Schutz vor der „Genderideologie“ öffentlicher Schulen.
Die Digitalisierung des Glaubens
Die Bewegung ist auch ein Online-Phänomen. Podcasts, YouTube-Kanäle und orthodoxe Instagram-Profile boomen. Pater Moses bekommt tausende Likes für den positiven Schwangerschaftstest seiner Frau. Die russisch-orthodoxe Kirche wird dabei nicht nur als religiöse Heimat, sondern als kulturelle Arche gegen den Liberalismus gesehen – ein Bollwerk gegen „Woke America“.
Politischer Beigeschmack und Nähe zu Russland
Viele der jungen Männer bewundern nicht nur die Kirche, sondern auch das politische Russland. Patriarch Kirill, oberster Geistlicher in Moskau, nannte den Krieg gegen die Ukraine eine „heilige Mission“. Für viele orthodoxe Amerikaner sei Russland heute das letzte christliche Land mit festen Werten. Dass Konvertiten wie Pater Joseph Gleason mit acht Kindern ins ländliche Russland auswandern, scheint konsequent.
Selbst Wladimir Putin, in eiskaltem Taufwasser badend, wird von manchen als „Verteidiger des Glaubens“ gesehen – trotz aller geopolitischer Kontroversen.
Ein männliches Gegenmodell zur Mega-Kirche
Während evangelikale Megakirchen oft mit Show, Popmusik und Wohlfühl-Rhetorik locken, bietet die Orthodoxie das Gegenteil: Disziplin, Hierarchie und sakrale Strenge. Die Liturgie wirkt wie aus einer anderen Zeit – und genau das scheint ihren Reiz auszumachen.
Fazit: Rückzug oder Reformation?
Was in den russisch-orthodoxen Kirchen der USA passiert, ist mehr als ein religiöser Trend – es ist ein kulturelles Statement. In einer Zeit der Identitätsdebatten und gesellschaftlichen Umbrüche suchen diese Männer Orientierung, Klarheit und – wie sie sagen – „Normalität“.
Ob diese Bewegung langfristig wächst oder eine konservative Gegenreaktion im digitalen Gewand bleibt, wird sich zeigen. Eines ist sicher: Die Ikonen, Bärte und liturgischen Gesänge dieser jungen Orthodoxen sind ein deutlicher Kontrast zur modernen, oft zerrissenen amerikanischen Realität.
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