Was wie ein Drehbuch für einen Thriller klingt, ist Realität: Ein kanadischer Ex-Olympiasportler wird als internationaler Drogenboss gesucht – und ein schillernder Strafverteidiger soll ihm dabei geholfen haben, einen FBI-Zeugen ermorden zu lassen. Das zeigt eine 54-seitige Anklageschrift, die die US-Justiz am Mittwoch veröffentlichte.
Im Mittelpunkt: Ryan Wedding, 44, einst Snowboarder bei den Olympischen Winterspielen 2002 – heute mutmaßlicher Kopf eines Milliarden-schweren, gewaltsamen Drogenkartells. Und Deepak Paradkar, ein bekannter Strafverteidiger aus Toronto, der Medien zufolge für seinen teuren Lebensstil und Auftritte als „Cocaine Lawyer“ auf Social Media bekannt ist.
„Wenn du ihn tötest, fällt der Fall“
Laut US-Staatsanwalt Bill Essayli soll Paradkar seinem Mandanten Wedding geraten haben: „Wenn du diesen Zeugen tötest, wird der Fall eingestellt.“ Kurz darauf wurde Jonathan Acebedo-Garcia, ein Kronzeuge im FBI-Verfahren, in einem Restaurant in Medellín, Kolumbien erschossen – bei Tageslicht, mitten im Einkaufszentrum.
Paradkar, der laut FBI in Luxusuhren und hohen Anwaltskosten bezahlt wurde, soll Schlüsselrollen bei der Einschüchterung und letztlich der Ermordung des Zeugen gespielt haben. Er und neun weitere Verdächtige sitzen inzwischen in Haft und warten auf ihre Auslieferung in die USA. Wedding ist weiter flüchtig – auf ihn ist ein Kopfgeld von 15 Millionen Dollar ausgesetzt.
Ein kriminelles Netzwerk aus Musikern, Bloggern und Callgirls
Die Mordermittlungen deckten ein weit verzweigtes Netzwerk auf: Neben Wedding und Paradkar sind laut FBI auch ein kanadischer Reggaeton-Musiker, ein Blogger, der über Gang-Gossip berichtet, sowie die Betreiberin eines kolumbianischen Escort-Rings verwickelt.
Der Zeuge Acebedo-Garcia, ein früherer Vertrauter Weddings, hatte sich bereit erklärt, mit den Behörden zu kooperieren – was ihn offenbar zum Ziel machte. Laut FBI setzte Wedding daraufhin eine Kette von Komplizen in Gang:
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Ein Gangblogger postete das Foto von Acebedo-Garcia mit dem Kommentar: „Gute Chancen, dass man ihn nie wieder findet.“
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Ein Musiker verschaffte für 500 bis 1.000 kanadische Dollar seine Telefonnummer.
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Mehrere Helfer spürten den Zeugen auf – darunter Männer auf Motorrädern, die ihn schließlich in einem kolumbianischen Restaurant stellten.
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Ein Unbekannter betrat das Lokal, ging direkt zu Acebedo-Garcia – und erschoss ihn beim Mittagessen.
Ein Foto der Leiche wurde laut Anklage anschließend an Wedding geschickt – als Warnung an andere potenzielle Informanten.
Das Kartell des Ex-Olympioniken
Wedding, früher kanadischer Nationalathlet im Snowboarden, wird heute von US-Ermittlern als eine Art „moderner Pablo Escobar“ bezeichnet. Nach seiner Sportkarriere arbeitete er als Türsteher in Nachtclubs, bevor er ins Drogengeschäft einstieg – zunächst mit Cannabis, später mit Kokain.
Er wurde bereits 2009 in Texas wegen Drogenhandels verurteilt und nach Kanada abgeschoben. Danach blieb er lange unauffällig – bis im Oktober 2024 neue Anklagen gegen ihn bekannt wurden. Seither gilt er als Kopf eines internationalen Kokainrings, der Drogen aus Kolumbien über Mexiko in die USA und nach Kanada schmuggelte – über ein Netzwerk aus Lastwagen, Verstecken und Helfern.
Der Anwalt mit dem teuren Geschmack
Deepak Paradkar, einer der prominentesten Strafverteidiger Kanadas, hatte bereits zuvor für Schlagzeilen gesorgt: Er verteidigte u. a. den verurteilten Mörder Dellen Millard – und wurde beschuldigt, heimlich Nachrichten aus dem Gefängnis geschmuggelt zu haben. Damals bestritt Paradkar die Vorwürfe.
Bekannt wurde er auch durch seinen extravaganten Lebensstil: Designerschuhe im Gericht, Maseratis auf Instagram, rosa Einstecktuch im Maßanzug – in einem Zeitungsinterview sagte er einmal:
„Ich bin eben ein bisschen anders. Solange ich mich an die Berufsregeln halte, mache ich mein Ding.“
Doch nun droht ihm die Auslieferung in die USA – wegen Beihilfe zum Mord an einem Zeugen in einem Bundesverfahren.
Der Fall Wedding: Ein Blick in die Abgründe des organisierten Verbrechens
Das FBI spricht von einer „Lawine an Gewaltverbrechen, einschließlich brutaler Morde“, die durch Weddings Kartell ausgelöst wurde. Behörden glauben, dass er aktuell in Mexiko unter dem Schutz des Sinaloa-Kartells untergetaucht ist – möglicherweise mit verändertem Aussehen durch plastische Chirurgie.
Zitat des US-Staatsanwalts Martin Estrada:
„Anstatt das Privileg zu nutzen, ein Olympionike zu sein, entschied er sich für den Weg des Drogenbosses – und des Mörders.“
Hintergrund:
Das Verfahren rund um Ryan Wedding und Deepak Paradkar ist Teil einer umfassenden FBI-Ermittlung namens „Operation Giant Slalom“ – benannt nach der Disziplin, in der Wedding einst für Kanada antrat. Es wirft ein grelles Licht auf die Schnittstellen zwischen Drogenkartellen, Geldwäsche, medialer Inszenierung und dem Missbrauch juristischer Macht.
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