Die inzwischen verstorbene Missbrauchsopfer-Anwältin Virginia Giuffre, eine der bekanntesten Anklägerinnen im Fall Jeffrey Epstein, schildert in ihrem demnächst erscheinenden Buch neue, erschütternde Einblicke in das Missbrauchssystem rund um den berüchtigten US-Finanzier und seine Komplizin Ghislaine Maxwell.
Das 400 Seiten umfassende Werk mit dem Titel „Nobody’s Girl – A Memoir of Surviving Abuse and Fighting for Justice“ erscheint am 21. Oktober, nur wenige Monate nach Giuffres Tod durch Suizid in Australien.
Co-Autorin Amy Wallace beschreibt im Vorwort, dass Giuffre das Buch mit dem Ziel schrieb, „dass ihr Leid wenigstens einem anderen Opfer helfen möge“.
Epstein und Maxwell – „zwei Hälften eines bösen Ganzen“
Giuffre beschreibt das Verhältnis zwischen Epstein und Maxwell als „Symbiose ohne Liebe“.
Beide hätten ihre psychologischen und emotionalen Schwächen ausgenutzt:
„Epstein sagte mir oft, ich sei klug und hätte Potenzial. Er gab mir, was ich in meiner Kindheit vermisst hatte – Bestätigung und eine Art Ersatzfamilie.“
Maxwell habe vor allem darin geglänzt, junge Frauen gezielt anzusprechen und ihre Bedürfnisse zu erkennen. Giuffre schreibt:
„Mit der Zeit sah ich in Epstein und Maxwell nicht mehr ein Paar, sondern zwei Hälften eines bösen Ganzen.“
„Niemand soll behaupten, er habe nichts gewusst“
In ihrem Buch erhebt Giuffre schwere Vorwürfe gegen das Umfeld Epsteins:
„Jeder, der längere Zeit mit ihm verbrachte, sah, was er tat. Man konnte nicht übersehen, wie er Mädchen berührte – oder die Fotos nackter junger Frauen an seinen Wänden.“
Sie berichtet auch, Epstein habe über eine Videoüberwachungsanlage und Aufzeichnungen verfügt. Ob er tatsächlich Personen erpresst habe, bleibt unklar – Giuffre verweist jedoch auf Hinweise, etwa einen Fall, bei dem Epstein versucht haben soll, Microsoft-Gründer Bill Gates mit privaten Informationen unter Druck zu setzen.
Giuffre verzichtet auf die Nennung vieler Namen
Trotz der Brisanz ihrer Schilderungen nennt Giuffre nur wenige der mutmaßlichen Täter namentlich.
Einige seien bereits aus Gerichtsakten bekannt – darunter Prinz Andrew, gegen den sie in der Vergangenheit Zivilklage erhoben hatte.
Ihre Entscheidung erklärt sie im Buch mit dem Schutz ihrer Familie:
„Wenn ich wirklich für Gerechtigkeit kämpfe, warum nenne ich dann nicht alle Namen?
Weil ich Mutter bin – und meine Familie nicht gefährden will.“
Wallace, die Co-Autorin, sagte im Interview mit CBS:
„Sie wusste nicht immer Daten und Orte, aber die Gesichter der Männer, die sie missbrauchten, hat sie nie vergessen.“
Ein erschütterndes Vermächtnis
Giuffres Buch ist mehr als nur ein Bericht über die Verbrechen Epsteins. Es ist das Zeugnis einer Frau, die jahrelang für Aufklärung kämpfte – und dabei unter dem enormen Druck von Öffentlichkeit, Medien und juristischen Auseinandersetzungen zerbrach.
Der Fall zeigt, wie mächtige Strukturen sexuellen Missbrauch über Jahrzehnte verschleiern konnten – und wie hoch der Preis für jene ist, die die Wahrheit ans Licht bringen.
Hinweis:
Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, Opfer von sexueller Gewalt geworden ist, finden Sie rund um die Uhr vertrauliche Hilfe unter folgenden Kontakten:
In Deutschland: Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ – 08000 116 016 (kostenfrei, anonym, 24 Stunden erreichbar).
In Österreich: Frauenhelpline gegen Gewalt – 0800 222 555.
In der Schweiz: Opferhilfe Schweiz – 0848 000 900.
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