Virginia Giuffre, eine der bekanntesten Überlebenden des Missbrauchsnetzwerks rund um Jeffrey Epstein, berichtet in ihrer nun veröffentlichten posthumen Autobiografie von schweren Misshandlungen. In der US-Ausgabe des Buches behauptet sie, von einem „bekannten Premierminister“ brutal vergewaltigt worden zu sein. In der britischen Version wird der Mann hingegen als „ehemaliger Minister“ bezeichnet. Warum diese Unterschiede bestehen, bleibt unklar.
Giuffre, die über Jahre hinweg öffentlich gegen Epstein und dessen Umfeld ausgesagt hatte, beging im April in Australien Suizid. Ihr Buch mit dem Titel „Nobody’s Girl“ wurde nun sechs Monate später veröffentlicht und enthält erschütternde Details über den Missbrauch, dem sie im Teenageralter ausgesetzt war, sowie ihren langjährigen Kampf um Gerechtigkeit.
„In den Jahren mit ihnen wurde ich an Dutzende reiche, mächtige Männer ‚verliehen‘. Ich wurde ständig benutzt und erniedrigt – manchmal geschlagen, gewürgt, mit Blutergüssen“, schreibt Giuffre über Epstein und dessen Umfeld. „Ich glaubte, ich würde als Sexsklavin sterben.“
Besonders verstörend ist eine Passage, in der sie schildert, wie Epstein sie auf seiner Karibikinsel an einen Mann übergab, den sie als „Premierminister“ bezeichnet – dieser habe sie „brutaler als alle anderen“ vergewaltigt. Sie sei damals 18 Jahre alt gewesen.
„Er würgte mich wiederholt, bis ich das Bewusstsein verlor, und er genoss es, mich um mein Leben fürchten zu sehen“, schreibt Giuffre. „Schrecklicherweise lachte er dabei – je mehr ich ihn anflehte aufzuhören, desto erregter wurde er.“
Nach dem Vorfall habe sie Epstein angefleht, sie nicht erneut zu diesem Mann zu schicken.
„Ich kniete vor ihm und bat ihn weinend. Ich weiß nicht, ob er Angst vor diesem Mann hatte oder ihm etwas schuldete, aber er machte keine Versprechungen“, heißt es weiter. „Er sagte kalt: ‚Sowas passiert halt manchmal.‘“
Politisches Beben beiderseits des Atlantiks
Die Veröffentlichung von „Nobody’s Girl“ dürfte die politische Aufarbeitung der Epstein-Affäre erneut befeuern – insbesondere in Großbritannien und den USA, wo hochrangige Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Adel mit Epstein in Verbindung gebracht wurden.
In besonderem Fokus steht erneut Prinz Andrew, der Bruder von König Charles III. Giuffre wirft ihm vor, sie als Minderjährige sexuell missbraucht zu haben. Andrew bestreitet diese Vorwürfe vehement, zahlte jedoch 2022 eine Millionenentschädigung, um ein Zivilverfahren in New York zu beenden – ohne dabei ein Schuldeingeständnis abzulegen.
In ihrem Buch berichtet Giuffre außerdem, dass Andrews Anwaltsteam versucht habe, bezahlte Online-Trolle gegen sie einzusetzen, um sie während des Prozesses öffentlich zu diskreditieren. Bereits zuvor hatte die „Mail on Sunday“ berichtet, Andrew habe 2011 seinen Leibwächter gebeten, belastendes Material über Giuffre zu beschaffen – ein Vorwurf, den die Londoner Polizei derzeit prüft.
Weitere Widersprüche in Andrews Aussagen
Besonders brisant: Neue E-Mails belegen offenbar, dass Andrew seine Kontakte zu Epstein nicht wie behauptet 2010 abbrach. In einer Nachricht an Epstein aus dem Februar 2011 – also zwei Monate nach dem angeblichen Kontaktabbruch – schrieb Andrew:
„Anscheinend sitzen wir da gemeinsam drin und müssen das durchstehen. Wir bleiben in engem Kontakt und spielen bald wieder!“
Diese Nachricht wurde nur einen Tag nach der Veröffentlichung eines Fotos verschickt, das Andrew mit Virginia Giuffre und Ghislaine Maxwell zeigt – der engen Vertrauten Epsteins, die mittlerweile wegen ihrer Beteiligung an dem Missbrauchsnetzwerk verurteilt wurde.
Schlussfolgerung
Die neuen Enthüllungen in Virginia Giuffres Autobiografie zeichnen ein erschütterndes Bild systematischen Missbrauchs, gedeckt von Macht, Reichtum und politischer Einflussnahme. Während einige der beschuldigten Persönlichkeiten weiterhin schweigen oder alles abstreiten, fordern Opfer wie Giuffre – auch posthum – Gerechtigkeit, Wahrheit und Anerkennung des erlittenen Leids.
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