Immer mehr Eltern berichten davon, dass ihre Kinder sie buchstäblich auf Schritt und Tritt begleiten – ob in die Küche, den Garten oder sogar ins Badezimmer. In den sozialen Netzwerken kursiert dafür inzwischen der Begriff „Velcro-Kids“ – angelehnt an Klettverschluss-Kinder, die sich emotional und körperlich eng an ihre Eltern „heften“.
Der Begriff stammt ursprünglich von sogenannten „Velcro-Babys“, wie Therapeutin Elizabeth Schane erklärt – Säuglinge, die ständigen Körperkontakt suchen und weinen, wenn sie abgelegt werden.
Ein Vater, der das Phänomen öffentlich machte, ist der 38-jährige Frankie Acevedo. In einem TikTok-Video, das rund drei Millionen Aufrufe erzielte, berichtete er, dass seine Kinder immer in seiner Nähe sein wollen – manchmal sogar einfach nur schweigend im selben Raum. Für Acevedo ist das kein Problem, sondern eine bewusste Entscheidung: Er möchte seine Kinder anders erziehen als er selbst aufgewachsen ist.
„Früher war es normal, dass Kinder draußen oder in ihren Zimmern waren. Heute verbringen wir bewusster Zeit miteinander“, sagt er.
Eine neue Generation Eltern – emotional statt autoritär
Psychologin Schane beobachtet, dass viele Eltern heute stärker auf emotionale Nähe setzen:
„Es geht weniger darum, Regeln durchzusetzen, sondern darum, zu verstehen, warum Kinder sich so verhalten, wie sie es tun.“
Diese Haltung sei typisch für Millennials, die das Gegenteil dessen praktizieren wollen, was sie selbst oft erlebt haben: Distanz, Strenge und wenig Austausch.
Zwischen Nähe und Grenzen
Doch Experten warnen: Auch wenn Nähe wichtig ist, müssen Eltern lernen, Grenzen zu setzen – für sich selbst und für ihre Kinder. „Kinder müssen begreifen, dass Mama oder Papa auch mal kurz weg sind, aber verlässlich wiederkommen“, erklärt Martha Edwards vom Ackerman Institute for the Developing Child and Family.
Wenn das gelingt, entwickeln Kinder Geduld und Selbstständigkeit. Bleibt diese Erfahrung aus, kann übermäßige Abhängigkeit entstehen.
Gleichzeitig sei übermäßige Nähe kein Dauerzustand, betont Schane: „Clinginess ist vorübergehend. Wichtig ist, dass Eltern Pausen für sich schaffen – und Hilfe annehmen dürfen.“
Fazit
Das Phänomen der „Velcro-Kinder“ zeigt einen Wandel im Erziehungsstil: Weg von Strenge und Distanz – hin zu Empathie und emotionaler Verbundenheit. Doch auch liebevolle Eltern brauchen Grenzen, Ruhezeiten und Unterstützung. Denn: „Nur wer selbst ausgeglichen ist, kann seinem Kind Sicherheit geben.“
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