Nach monatelangen, teils hitzigen Verhandlungen stehen die USA und die Ukraine kurz davor, ein umfassendes Wirtschaftsabkommen über die Nutzung ukrainischer Rohstoffvorkommen zu unterzeichnen. Im Zentrum der Vereinbarung: die gemeinsame Erschließung strategisch wichtiger Mineralien wie Lithium, Titan und Graphit – Rohstoffe, die weltweit für Hightech-Anwendungen, Elektromobilität und Rüstungsgüter stark nachgefragt sind.
Memorandum unterzeichnet – Details noch unklar
Am Freitag veröffentlichte die ukrainische Regierung ein Memorandum of Intent, das den Aufbau eines gemeinsamen Investitionsfonds für den Wiederaufbau der Ukraine vorsieht. Konkrete Regelungen zur Rohstoffnutzung enthält das Dokument jedoch nicht – ebenso fehlt weiterhin eine verbindliche US-Sicherheitsgarantie, auf die Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederholt gedrängt hatte.
Das Abkommen soll laut Memorandum bis spätestens 26. April finalisiert werden. US-Präsident Donald Trump kündigte an, er wolle das Abkommen bereits am 24. April unterzeichnen.
Politischer Streit überschattete Verhandlungen
Die Verhandlungen waren im Februar ins Stocken geraten, als ein Treffen zwischen Trump und Selenskyj im Weißen Haus in einem lauten öffentlichen Streit eskalierte. Trump warf dem ukrainischen Präsidenten mangelnde Dankbarkeit für US-Hilfen vor und sagte wörtlich: „Du spielst mit dem Dritten Weltkrieg. Mach den Deal – oder wir sind raus.“
Die ursprünglich geplante Unterzeichnung platzte, Selenskyj verließ vorzeitig das Weiße Haus. Eine spätere Einigung schien lange fraglich.
Was bisher über den Deal bekannt ist
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Wirtschaftspartnerschaft: Beide Länder wollen einen Investitionsfonds zur Förderung von Wiederaufbauprojekten in der Ukraine einrichten.
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Rohstoffbeteiligung: Frühere Entwürfe sahen vor, dass die Ukraine bis zu 50 % der Erlöse aus staatlichen Rohstoffen, Öl und Gas in den Fonds einbringt.
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US-Finanzverpflichtung: Washington will langfristig finanzielle Unterstützung leisten – als Gegenleistung für die umfassende militärische Hilfe seit Beginn der russischen Invasion.
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Gleichberechtigte Steuerung: Der Fonds soll laut Premierminister Denys Schmyhal zu gleichen Teilen von beiden Regierungen verwaltet werden.
Strategische Rohstoffe: Was hat die Ukraine zu bieten?
Die Ukraine verfügt über große Reserven sogenannter kritischer Rohstoffe:
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Graphit: Rund 19 Mio. Tonnen bestätigter Vorkommen – essenziell für Batterieherstellung.
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Titan und Lithium: Schlüsselsubstanzen für die Luftfahrt, Elektronik und Elektromobilität.
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Seltene Erden: Die Ukraine sieht sich als bedeutenden Anbieter – manche Experten zweifeln jedoch an der Marktgröße.
Ein Problem: Laut Wirtschaftsministerin Julija Swyrydenko befinden sich Rohstoffe im Wert von rund 350 Mrd. Dollar derzeit in russisch besetzten Gebieten. Zudem ist ein Viertel der ukrainischen Landmasse vermint, was den Bergbau erheblich erschwert.
Sicherheit versus Rohstoffe?
Trotz enger Partnerschaft enthält das aktuelle Abkommen keine explizite US-Sicherheitsgarantie für die Ukraine. Trump erklärte, die Anwesenheit US-amerikanischer Auftragnehmer vor Ort könne bereits als indirekte Schutzmaßnahme gewertet werden. Die militärische Verantwortung werde jedoch zunehmend auf Europa übertragen.
Russische Reaktion: Gelassenheit mit Unterton
Russlands Präsident Wladimir Putin äußerte sich abfällig über das geplante Abkommen und bot stattdessen Kooperationen im russisch besetzten Osten der Ukraine an – den sogenannten „neuen historischen Territorien“.
Putin betonte, Russland verfüge über weit größere Rohstoffreserven als die Ukraine und sei offen für ausländische Investitionen – eine indirekte Provokation an den Westen.
Fazit
Das geplante US-Ukraine-Abkommen könnte die wirtschaftliche und geopolitische Bindung beider Länder vertiefen – ist aber auch hoch umstritten. Kritiker warnen vor einer möglichen Ausbeutung ukrainischer Ressourcen ohne echte Sicherheitsgarantien. Unterstützer sehen darin eine dringend benötigte wirtschaftliche Stärkung des kriegsgebeutelten Landes.
Ob der Deal tatsächlich wie geplant unterzeichnet wird, entscheidet sich in den kommenden Tagen. Fest steht: Er könnte zum wirtschaftlichen Anker der Nachkriegsordnung in Osteuropa werden – oder zum nächsten Zankapfel zwischen Ost und West.
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