Die Trump-Administration vollzieht einen radikalen Kurswechsel in der Ukraine-Politik: US-Verteidigungsminister Pete Hegseth erklärte am Mittwoch in Brüssel, dass die USA nicht länger die Sicherheit Europas und der Ukraine priorisieren werden. Zudem bezeichnete er eine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine als unrealistisch und forderte, dass europäische Truppen für die Sicherheit eines Nachkriegs-Ukraine verantwortlich sein sollen.
„Die Vereinigten Staaten glauben nicht, dass eine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine ein realistisches Ergebnis eines ausgehandelten Friedens sein kann,“ so Hegseth. Er betonte, dass keine US-Truppen zur Sicherung der Ukraine entsandt werden.
Darüber hinaus stellte Hegseth klar, dass eine Rückkehr zu den ukrainischen Grenzen von 2014, also vor der Annexion der Krim durch Russland, ebenfalls nicht realistisch sei. Diese Aussagen sorgten für große Besorgnis in Kiew und bei den europäischen Verbündeten.
Trump spricht mit Putin – und dann mit Selenskyj
Wenige Stunden nach Hegseths Rede verkündete US-Präsident Donald Trump, dass er am Mittwochmorgen mit Wladimir Putin telefoniert habe. Die beiden hätten sich darauf geeinigt, sofort mit Verhandlungen zur Beendigung des Krieges zu beginnen.
„Wir werden zuerst Präsident Selenskyj kontaktieren, um ihn über das Gespräch zu informieren,“ erklärte Trump.
Besonders brisant: Putin lud Trump nach Moskau ein – ein Besuch, der ihn zum ersten US-Präsidenten seit 2013 machen würde, der Russland offiziell besucht.
Kurz darauf äußerte sich Trump zur NATO-Frage der Ukraine und stellte sich hinter die Einschätzung seines Verteidigungsministers: „Ich denke nicht, dass es praktikabel ist, die Ukraine in die NATO aufzunehmen.“
Ein europäischer Verteidigungsoffizieller erklärte gegenüber CNN, dass viele NATO-Verbündete zwar selbst nicht an eine baldige Mitgliedschaft der Ukraine glauben, dies aber nicht öffentlich sagen würden – um Russland keine Kontrolle über die Bündnispolitik zu geben.
USA kündigen keine neuen Waffenlieferungen an
Hegseth überraschte auch mit einer weiteren Aussage: Es wird vorerst keine neue US-Militärhilfe für die Ukraine geben.
„Wir sind hier, um direkt und unmissverständlich zu sagen, dass strategische Realitäten es den USA nicht erlauben, den Fokus weiterhin auf die Sicherheit Europas zu legen,“ so Hegseth.
Die NATO und die EU hatten sich bereits auf eine Reduzierung der US-Führung eingestellt und in Erwartung eines US-Rückzugs ein eigenes Sicherheitskoordinierungsprogramm für die Ukraine ins Leben gerufen.
Großbritannien könnte nun die Rolle des wichtigsten westlichen Unterstützers der Ukraine übernehmen. London übernahm am Mittwoch erstmals den Vorsitz des Ukraine Defense Contact Group Meetings – einer Funktion, die bisher den USA vorbehalten war.
Während der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov eine ausführliche Stellungnahme zu seinem Treffen mit dem britischen Verteidigungsminister John Healey veröffentlichte, fiel sein Kommentar zum Treffen mit Hegseth deutlich kühler aus: Eine einzige Zeile, kein Handschlag auf dem offiziellen Foto.
Europa unter Zugzwang – USA fordern höhere Verteidigungsausgaben
Hegseth wiederholte Trumps Forderung an die NATO-Partner, ihre Verteidigungsausgaben auf 5 % des BIP zu erhöhen – deutlich mehr als das bisherige Ziel von 2 %.
„Die Vereinigten Staaten bleiben der NATO und der Verteidigungspartnerschaft mit Europa verpflichtet. Punkt. Aber wir werden keine unausgewogene Beziehung mehr tolerieren, die Abhängigkeit fördert.“
Ein NATO-Beamter äußerte nach Hegseths Rede Erleichterung, dass die USA nicht den Austritt aus dem Bündnis erwägen. Das lasse zumindest Spielraum für Verhandlungen über den zukünftigen Umfang der US-Unterstützung.
Ukraine bleibt auf westliche Hilfe angewiesen
Obwohl die bisherige US-Militärhilfe nicht gestoppt wird, gibt es keine neuen Zusagen für Waffenlieferungen. Die Ukraine benötigt jedoch dringend gepanzertes Gerät, Langstreckenwaffen und Luftabwehrsysteme, wie ein NATO-Vertreter gegenüber CNN betonte.
Hegseth gab keine Hinweise darauf, dass die USA weiterhin Waffen aus eigenen Beständen bereitstellen werden – eine Praxis, die bisher unter der Präsidialen Abzugsbefugnis („Presidential Drawdown Authority“) genutzt wurde.
Derzeit stehen noch fast 4 Milliarden Dollar an bereits bewilligten US-Mitteln für die Ukraine bereit, doch es ist unklar, ob sie unter Trump vollständig genutzt werden.
Russland zeigt keine Kompromissbereitschaft
Während Kiew weiter um westliche Unterstützung kämpft, zeigt Moskau keine Anzeichen von Verhandlungswillen.
Ein Vorschlag von Selenskyj, eroberte russische Gebiete im Kursk-Gebiet gegen ukrainisches Territorium zu tauschen, wurde umgehend von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zurückgewiesen.
„Russland hat niemals über den Austausch seines Territoriums diskutiert und wird dies auch nicht tun,“ erklärte Peskow.
Fazit: USA verabschieden sich aus der Ukraine-Politik – Europa muss handeln
Die Trump-Regierung hat ihre Strategie deutlich gemacht: Die Ukraine ist nicht länger eine Priorität, und Europa muss seine Sicherheitsverantwortung selbst übernehmen.
Während NATO-Verbündete sich darauf einstellen, ohne US-Führung eine Lösung für die Ukraine zu finden, bleibt eine zentrale Frage offen:
Wird Europa stark genug sein, um der russischen Bedrohung eigenständig entgegenzutreten?
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