Acht Jahre nach einer nächtlichen Fehlrazzia des FBI darf eine betroffene Familie aus dem US-Bundesstaat Georgia ihre Klage auf Schadensersatz gegen die US-Regierung fortsetzen. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten entschied am Donnerstag einstimmig, dass der Fall zur erneuten Prüfung an ein Bundesberufungsgericht zurückverwiesen wird.
Hintergrund: Verwechslung bei nächtlichem Einsatz
Im Jahr 2017 drang ein sechsköpfiges SWAT-Team des FBI in das Haus von Curtrina Martin in einem Vorort von Atlanta ein – im fälschlichen Glauben, es handele sich um das Versteck eines Bandenmitglieds. Mit einem Rammbock wurde die Tür aufgebrochen, ein Blendgranate gezündet und die Familie – darunter auch Martins siebenjähriger Sohn – in Schrecken versetzt. Erst nachdem Martin unter Waffengewalt aus einem Schrank gezogen wurde, bemerkten die Beamten ihren Fehler: Es war die falsche Adresse.
Rechtslage: Haftung des Bundes grundsätzlich eingeschränkt
Grundsätzlich genießt die US-Regierung Immunität gegenüber zivilrechtlichen Klagen. Allerdings erlaubt das Federal Tort Claims Act (FTCA) in bestimmten Fällen eine Klage gegen die Bundesregierung, insbesondere bei Fahrlässigkeit oder Fehlverhalten von Beamten. Nach Fehlrazzien in den 1970er Jahren wurde das Gesetz explizit erweitert, um solchen Fällen Rechnung zu tragen.
Bisherige Entscheidung: Berufungsgericht wies Klage ab
Das zuständige Berufungsgericht (11th Circuit) hatte sich zuvor auf die Supremacy Clause der US-Verfassung berufen, wonach Klagen gegen Bundesbeamte dann ausgeschlossen seien, wenn deren Handeln mit der Durchsetzung bundesstaatlicher Richtlinien in Zusammenhang stehe. Eine Auffassung, die laut dem Supreme Court nun einer genaueren Überprüfung bedarf.
Kritik von Justice Gorsuch
Besonders deutlich wurde Neil Gorsuch, Richter am Supreme Court und Verfasser der nun veröffentlichten Entscheidung. Er äußerte bereits während der Anhörung im April Zweifel an der Argumentation der Bundesregierung:
„Man könnte vielleicht die Adresse überprüfen, bevor man die Tür einschlägt. Wie wäre es damit, zumindest die Straßenschilder zu lesen? Ist das zu viel verlangt?“, so Gorsuch an den Anwalt des Justizministeriums.
Bedeutung der Entscheidung
Die Entscheidung ist ein juristischer Zwischenerfolg für die betroffene Familie, denn sie öffnet den Weg für eine mögliche Entschädigung. Gleichzeitig stellt das Urteil ein wichtiges Signal dar: Auch Bundesbehörden müssen sich bei groben Fehlern im Einsatz ihrer Verantwortung stellen – besonders dann, wenn Grundrechte verletzt werden.
Vertreten wird die Familie Martin von der libertären Bürgerrechtsorganisation Institute for Justice, die den Fall als Präzedenzfall für den Schutz vor behördlichem Machtmissbrauch einstuft.
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