Der „sitzende Sieg“ der USA und Israels über das iranische Atomprogramm wankt, bevor er überhaupt stand. Laut Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), ist der viel beschworene militärische Durchbruch gegen das iranische Nuklearprogramm allenfalls kosmetisch: „Nicht zerstört“ sei es, sagt Grossi – und fügt hinzu, dass Teheran in wenigen Monaten wieder Uran anreichern könnte. Monate. Oder weniger. So viel zum angeblichen „Rückwurf um Jahrzehnte“, den Ex-Präsident Trump stolz verkündet.
Während Washington und Tel Aviv sich gegenseitig auf die Schultern klopfen, stellt sich heraus: Irans Zentrifugen stehen möglicherweise noch, das angereicherte Uran ist – Zitat Grossi – „nicht auffindbar“, und niemand weiß, ob aus den über 400 Kilo bereits auf 60 % angereichertem Uran nicht längst ein Teil in neue unterirdische Anlagen gebracht wurde. Für neun Atombomben reicht das Material. Neun.
Und was macht das iranische Parlament? Es tut, was zu erwarten war: Es kappt die Zusammenarbeit mit der IAEA. Inspektoren? Ausgeschlossen. Transparenz? Fehlanzeige. Wer will schon internationale Kontrolle, wenn Raketen auf Forschungseinrichtungen niedergehen? Die moralische Überlegenheit des Westens hat in diesem Konflikt offenbar genauso viel Bestand wie ein Schutzanzug unter einem Luftangriff.
Und dennoch: Trump bleibt Trump. Aus dem Mund des Ex-Präsidenten klingt alles wie ein Sieg – selbst dann, wenn der Feind weiter aufrüstet. „Sie haben nichts weggebracht“, behauptet er bei Fox News. Mag sein, dass man ihm keine Vorwarnung gegeben hat. Aber auch keine Realität.
Auch US-Außenminister Marco Rubio gibt sich der Illusion hin, man könne mit einem IAEA-Besuch auf verbrannter Erde Klarheit schaffen. Großartig. Vielleicht dürfen die Inspektoren ja mit Taschenlampen durch Rauchschwaden nach verschwundenem Uran suchen. Der diplomatische Versuch ist ehrenwert – aber grotesk spät.
Der Angriff auf das iranische Atomprogramm sollte ein Befreiungsschlag sein. Stattdessen droht er zum Bumerang zu werden. Der Iran ist nicht entwaffnet – er ist erzürnt, entschlossener und gefährlicher als zuvor. Wer glaubt, man könne ein Nuklearprogramm wegbomben, der hat die Lektionen der letzten Jahrzehnte nicht verstanden. Und wer glaubt, man könne der Welt „Frieden“ verkaufen, indem man Fakten ausblendet, spielt mit noch mehr als nur politischem Feuer.
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