Wenn andere Minister für Verkehrsprojekte Statistiken, Gutachten oder Baustellenberichte zur Hand nehmen, hat der türkische Verkehrsminister Abdulkadir Uraloglu offenbar seine ganz eigene Methode gefunden: Er testet die Autobahn persönlich – mit 225 km/h. Und weil so eine Testfahrt schließlich nur halb so viel Spaß macht, wenn niemand davon erfährt, wurde das Ganze natürlich auch gefilmt und ins Internet gestellt.
„Unabsichtlich“ fast 100 km/h zu schnell
Laut Uraloglu sei das alles ein Versehen gewesen. Er habe lediglich den „aktuellen Zustand“ der Autobahn zwischen Ankara und Nigde prüfen wollen und dabei „das Tempolimit unabsichtlich für eine kurze Zeit überschritten“. Das Tempolimit liegt in der Türkei bei 140 km/h. Doch das Tacho-Video zeigt Werte zwischen 190 und 225 km/h – offenbar hat der Minister ein sehr großzügiges Verständnis von „kurzer Zeit“ und „unabsichtlich“.
Bußgeld light statt Führerschein weg
Immerhin: Für den kleinen Ausflug ins Reich der Hochgeschwindigkeit muss der Minister ein Bußgeld zahlen. Über die Höhe der Strafe wird geschwiegen. Jeder normale Autofahrer in der Türkei müsste sich nach solch einem Rasertrip wohl nicht nur vom Führerschein verabschieden, sondern dürfte auch eine längere Pause vom Autofahren einlegen. Für den Minister gibt es dagegen offenbar den politischen Rabatt-Tarif: Geldstrafe und weiterfahren.
Politik-PR auf der Überholspur
Dass ein Verkehrsminister das Tempolimit derart überzieht, ist nicht nur ein politischer Fauxpas, sondern fast schon eine Glosse über die Doppelmoral. Uraloglu wollte offenbar Stärke demonstrieren: Seht her, unsere Autobahnen sind so sicher und glatt, dass man sie locker mit 225 km/h befahren kann! Dumm nur, dass er damit auch gleich das Gegenteil bewies – nämlich, dass er als oberster Hüter der Verkehrsordnung Regeln selbst gern ignoriert.
Das Volk im Stau
Während der Minister mit über 200 Sachen über leere Autobahnabschnitte donnert, stehen Normalbürger in Ankara und Istanbul weiter im täglichen Verkehrschaos, kämpfen mit Staus, Schlaglöchern und überfüllten Straßen. Vielleicht wäre ein Test bei 20 km/h im Feierabendverkehr realitätsnäher gewesen – aber wahrscheinlich nicht so filmreif.
Lektion gelernt?
Ob der Minister sein Fahrverhalten künftig ändert, ist unklar. Offiziell hat er immerhin eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben. Doch für viele Beobachter bleibt der Eindruck: Wenn es um die Einhaltung von Gesetzen geht, gilt auf der Überholspur der Politik manchmal ein anderes Tempolimit.
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