Das afghanische Generalkonsulat in Bonn-Ückesdorf ist nach einer Mitteilung aus Kabul wieder in Betrieb – diesmal allerdings unter der Leitung von Vertretern der Taliban. Damit ist erstmals seit der Machtübernahme der Islamisten in Afghanistan ein Konsulat in Deutschland offiziell unter ihrer Kontrolle.
Wie das Außenministerium in Kabul über die Plattform X (vormals Twitter) bekannt gab, habe das „afghanische Generalkonsulat in der Stadt Bonn seine Tätigkeit wieder aufgenommen“. Berlin hatte zuvor zwei Taliban-Diplomaten die Einreise gestattet, um die bisher von Exilbeamten geführten Konsulate in Bonn und Berlin zu übernehmen.
Offiziell erkennt die Bundesregierung das Taliban-Regime nicht an, doch sie steht seit Monaten in Kontakt mit dessen Vertretern – vor allem, um Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber und Straftäter nach Afghanistan zu verhandeln.
Die Entscheidung, den Taliban Zugang zu den diplomatischen Vertretungen zu gewähren, löst in Deutschland heftige Reaktionen aus. Die frühere Leitung des Konsulats reagierte empört: Der bisherige Generalkonsul Hamid Nangialay Kabiri und die gesamte Belegschaft hatten ihre Arbeit bereits im September niedergelegt, nachdem bekannt geworden war, dass die Taliban das Amt übernehmen sollten.
Kabiri nannte die Entscheidung in einer Videobotschaft „inakzeptabel“ und warnte vor einer Gefährdung sensibler Daten afghanischer Bürger. Das Generalkonsulat in Bonn diente bislang als IT-Knotenpunkt für afghanische Auslandsvertretungen in Europa, Kanada und Australien – dort waren zahlreiche personenbezogene Daten gespeichert. Nun befürchten viele afghanische Exilanten, dass diese Informationen in den Händen der Taliban zur Gefahr für ihre Angehörigen werden könnten.
Nach Informationen der ARD haben die Taliban bereits Zugriff auf die Systeme übernommen. In der afghanischen Exilgemeinde wächst die Angst, dass regimekritische Bürger oder Angehörige ehemaliger Ortskräfte über die Daten identifiziert und verfolgt werden könnten.
Ex-Generalkonsul Kabiri hat in Deutschland Asyl beantragt. Da er sich offen gegen das Taliban-Regime stellt, gilt sein Schutzgesuch als aussichtsreich.
Während das Auswärtige Amt betont, es handle sich „nicht um eine diplomatische Anerkennung“, sondern um eine pragmatische Lösung zur Aufrechterhaltung konsularischer Dienste, werfen Kritiker der Bundesregierung vor, sie legitimiere durch ihr Vorgehen de facto die Taliban-Herrschaft – und gefährde damit jene, die einst auf westliche Unterstützung vertraut hatten.
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