Das oberste Gericht der Vereinigten Staaten prüft derzeit einen Fall mit enormer Signalwirkung: Darf die katholische Kirche in Oklahoma die erste öffentlich finanzierte, religiöse Charter-Schule betreiben? Die Entscheidung könnte den Weg dafür ebnen, dass Steuergelder künftig direkt an religiöse Schulen fließen – ein Bruch mit bisherigen Trennlinien zwischen Staat und Kirche.
Worum geht es genau?
Im Zentrum des Verfahrens steht die geplante „St. Isidore of Seville Virtual Charter School“, eine Online-Schule der katholischen Diözesen in Oklahoma. Die Schule würde zwar öffentlich finanziert, aber katholisch geprägt unterrichtet werden – inklusive verpflichtender Messebesuche (mit Ausnahmen möglich). Der Staat hatte die Gründung der Schule zunächst genehmigt, doch der Generalstaatsanwalt von Oklahoma, Gentner Drummond, klagte dagegen. Er argumentiert, eine religiöse Charter-Schule sei verfassungswidrig.
Was sind Charter-Schulen?
Charter-Schulen sind staatlich finanzierte, aber unabhängig betriebene Schulen. Sie unterliegen nicht denselben strengen Vorschriften wie klassische öffentliche Schulen, sind jedoch dem Bildungsauftrag des Staates verpflichtet. In Oklahoma besuchen rund 7 % der Schüler eine Charter-Schule.
Warum ist der Fall brisant?
Die Frage, ob eine Charter-Schule als „öffentlich“ gilt, ist entscheidend. Denn:
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Wenn ja, muss sie neutral und weltanschaulich ungebunden sein – Religion im Unterricht wäre verfassungswidrig.
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Wenn nein, könnte es eine Diskriminierung der Religionsfreiheit darstellen, religiösen Trägern die Teilnahme zu verweigern.
Das Urteil könnte damit entweder die strikte Trennung von Kirche und Staat bestätigen – oder sie weiter aufweichen, wie es der Supreme Court unter der konservativen Mehrheit in den letzten Jahren bereits häufiger getan hat.
Was sagen die Befürworter der Schule?
Vertreter der katholischen Kirche und des Schulbeirats argumentieren: Die Schule sei frei wählbar, niemand werde gezwungen, sie zu besuchen. Wenn der Staat Privaten die Gründung von Charter-Schulen erlaube, müsse er auch religiösen Organisationen die gleiche Chance geben – sonst sei das eine unzulässige Ungleichbehandlung.
Und die Gegner?
Generalstaatsanwalt Drummond warnt: Charter-Schulen sind eindeutig öffentlich, da sie vom Staat finanziert, reguliert und für alle zugänglich sind. Wenn eine religiöse Lehre dort Einzug halte, drohe ein Dammbruch – mit der Konsequenz, dass jede Glaubensrichtung (bis hin zu „radikalem Islam oder der Kirche des Satans“) Steuergeld beanspruchen könne.
Wie spaltet der Fall die Politik?
Selbst innerhalb der republikanischen Führung Oklahomas gibt es Uneinigkeit. Während Drummond warnt, spricht Gouverneur Kevin Stitt von einer „feindlichen Haltung gegen Religion“. Auch die Trump-Regierung unterstützt die Schule – sie stellt während der Anhörung eigene Argumente.
Mögliche Folgen eines Urteils für religiöse Schulen
Sollte das Gericht zugunsten der katholischen Schule entscheiden, könnten zahlreiche religiöse Privatschulen zu Charter-Schulen werden. Das würde sie berechtigen, staatliche Fördermittel zu erhalten – ein Schritt, der viele bestehende Gesetze und Finanzierungsmodelle ins Wanken bringen könnte.
Gefahr für das Charter-Schulsystem?
Die National Alliance for Public Charter Schools sieht die Unabhängigkeit des gesamten Systems gefährdet. Sollte der Supreme Court Charter-Schulen als „privat“ einstufen, könnte dies in mehreren Bundesstaaten bedeuten, dass keine öffentlichen Gelder mehr fließen dürfen – mit potenziell dramatischen Konsequenzen für Millionen Schüler.
Wann fällt das Urteil?
Ein Urteil des Supreme Court wird im Sommer 2025 erwartet. Wegen der Nichtbeteiligung von Richterin Amy Coney Barrett – sie hat sich wegen persönlicher Verbindungen zum Fall zurückgezogen – könnte es zu einem 4:4-Urteil kommen. In diesem Fall bliebe das bisherige Urteil des Oklahoma Supreme Court bestehen – das religiöse Charter-Schulen ablehnt.
Fazit
Der Fall „St. Isidore“ könnte das amerikanische Bildungssystem und das Verhältnis von Staat und Religion grundlegend verändern. Kritiker sehen die Trennung von Kirche und Staat in Gefahr, Befürworter sprechen von einem Sieg für die Wahlfreiheit und Religionsfreiheit. Wie das Gericht entscheidet, wird weitreichende Folgen haben – für Schulen, Eltern, Steuerzahler und die amerikanische Demokratie selbst.
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