Wer in Berlin derzeit bei Lidl einkaufen geht, macht eine überraschende Beobachtung: Zwischen Rinderfilet, Lachs und Gulasch kleben plötzlich gelbe Warnetiketten, die man sonst eher von Alkoholflaschen oder Parfum kennt. Fleisch und Fisch gehören nun ebenfalls zu den Waren, die mit einer Diebstahlsicherung versehen werden – ein sichtbares Zeichen dafür, wie sehr sich die Lage in deutschen Supermärkten zugespitzt hat.
In mehreren Filialen, darunter im dicht besuchten Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg, prangen auf Verpackungen von Rindergulasch, Entrecôte, Doraden oder Sushi große Aufkleber mit dem Hinweis: „Gesicherter Artikel – Etikett vor dem Erhitzen entfernen“. Selbst auf dem beliebten „Norwegischen Lachsfilet mit Haut“ leuchtet das gelbe Symbol mit Vorhängeschloss. Ein Anblick, der viele Kundinnen und Kunden überrascht – denn bislang waren vor allem Kaffee, Babynahrung, Rasierklingen oder Markenkosmetik davon betroffen.
Warum Fleisch und Fisch? Händler reagieren auf massive Verluste
Lidl bestätigt zwar die Maßnahme, hält sich aber bedeckt: Man arbeite mit „branchenüblichen Methoden“, heißt es. Welche Produkte konkret betroffen sind, will das Unternehmen nicht offenlegen – eine übliche Strategie, um professionellen Diebesbanden keine Hinweise zu liefern.
Klar ist jedoch: Die Zahl der Diebstähle hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Händler berichten von immer dreisteren Methoden, professionell organisierten Gruppen und zugleich vielen Gelegenheitsdiebstählen. Während früher vor allem kleine, leicht mitnehmbare Waren wie Rasierklingen, Kaffee oder Alkohol im Fokus standen, rücken mittlerweile auch teurere frische Lebensmittel ins Visier.
Wie die Sicherungen funktionieren
Die gelben Etiketten sind sogenannte RF-Labels – winzige Spulen, die Funksignale senden. An der Kasse werden sie automatisch deaktiviert, passiert das nicht, lösen sie beim Ausgang Alarm aus. Für die Kundschaft ändert sich am Einkauf nichts, solange der Artikel regulär bezahlt wird.
Supermärkte nutzen diese Technik bereits seit Jahren. Neu ist lediglich, wie weit sie mittlerweile eingesetzt wird – von teuren Weinen über Kaffeepackungen bis hin zu frischem Fleisch.
Ein milliardenschweres Problem
Die Dimension des Schadens ist enorm:
- über 400.000 erfasste Ladendiebstähle im Jahr 2024,
- fast 3 Milliarden Euro Verlust durch Kundendiebstähle,
- weitere rund 1 Milliarde Euro Schaden durch Diebstähle von Personal, Lieferanten und Dienstleistern,
- und laut EHI schätzungsweise 100.000 unentdeckte Diebstähle pro Tag.
Kein Wunder also, dass Händler drastischere Maßnahmen ergreifen. Manche Berliner Supermärkte haben Kaffee inzwischen komplett hinter verschlossene Schränke verbannt – nur nach Nachfrage erhältlich. Andere rüsten ihre Filialen mit zusätzlichen Kameras und Sicherheitspersonal aus.
Für viele Kunden ein ungewohnter Anblick
Während manche Kundinnen und Kunden über die Aufkleber staunen, sehen andere darin eine logische Konsequenz. Klar ist: Die Diebstahlsicherungen auf frischem Fleisch und Fisch sind ein weiteres Indiz dafür, dass der Einzelhandel in Deutschland im Kampf gegen Verluste eine neue Stufe erreicht hat – und dies inzwischen selbst dort sichtbar wird, wo man es früher nie erwartet hätte.
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