In Liverpool, der Heimat der Beatles, wo Legenden wie Salah und Dalglish Fußballgeschichte schrieben, erklang am Mittwochabend eine ganz andere Art von Hymne: Bruce Springsteen, Amerikas „Boss“, rockte nicht nur Anfield Stadium – er hielt eine politische Brandrede über das Amerika, das er liebt und fürchtet zu verlieren.
„Das Amerika, das ich liebe … ein Leuchtturm der Freiheit seit 250 Jahren … befindet sich aktuell in den Händen einer korrupten, inkompetenten und verräterischen Regierung.“
Mit diesen Worten wandte sich der 75-jährige Rockstar an Tausende Konzertbesucher – viele davon in Feierlaune, einige verwirrt von der politischen Schärfe, mit der Springsteen auf seiner Europatour 2025 gegen das abgleitende Amerika wettert.
🇺🇸 Rock’n’Roll vs. Populismus
Springsteen hat nie einen Hehl aus seiner politischen Haltung gemacht. Doch selten war sie so direkt, so konfrontativ. Die USA stünden laut ihm an einem Scheideweg zwischen Demokratie und Autoritarismus – und Donald Trump, der erneut Präsident ist, sei Symbol und Brandbeschleuniger dieser Gefahr.
In seinen Konzerten ruft der Boss zu zivilem Mut auf: „Steht mit uns gegen Autoritarismus! Lasst die Freiheit erklingen!“ – während Trumps Regierung lautstark gegen politische Gegner, Medien und Künstler wie Springsteen selbst wettert.
🎤 Kann ein Musiker politisch etwas bewegen?
Springsteens Einsatz ist nicht neu – seine Songs sind seit jeher Sozialreportagen in Akkorden. Doch im Alter wird er politischer denn je. Wo andere Altersgenossen in den Ruhestand segeln, geht der Boss auf eine Missionstour durch Europas Städte.
Aber trifft seine Message noch den Nerv der Zielgruppe? Die einstigen Arbeiter, denen Springsteens Texte galten, sind in den USA – und zunehmend auch in Europa – nach rechts gerückt. Der neue Nationalismus feiert in ehemaligen Industriestädten Triumphe, wo einst Linke, Sozialdemokraten und Rocker dominierten.
🌍 Die transatlantische Spaltung der Arbeiterklasse
In Großbritannien wackelt die rote Hochburg. In Runcorn – nur wenige Kilometer von Liverpool entfernt – gewann unlängst Nigel Farages Reformpartei gegen die Labour-Partei. Der Verlust alter Industriearbeitsplätze und politisches Misstrauen treiben viele Wähler zu populistischen Alternativen.
„Die Innenstädte zerfallen, die Lebensqualität schwindet – viele Briten fühlen sich von der Politik verraten,“ sagte die Labour-Politikerin Lisa Nandy kürzlich.
Springsteens Message wirkt da fast wie aus der Zeit gefallen – optimistisch, rebellisch, aber tief humanistisch. Während Trump von einer neuen „Goldenen Ära“ schwärmt, singt Springsteen vom „Land der Hoffnung und Träume“ – nicht als Vergangenheit, sondern als Möglichkeit.
🧨 Kampf der Narrative: Der Boss gegen den Präsidenten
Beide – Trump und Springsteen – sprechen zur gleichen Zielgruppe: dem desillusionierten Herzland. Doch wo der eine auf Angst, Ausschluss und Nostalgie setzt, bietet der andere eine melancholische Vision von Solidarität, Demokratie und Verantwortung.
„Wenn die Bedingungen reif sind für einen Demagogen, kannst du sicher sein: Einer wird erscheinen,“ warnt Springsteen mit Blick auf seine Heimat.
🏁 Ein Abschied oder ein neuer Anfang?
Zum Abschluss des Konzerts sang Springsteen „Long Walk Home“ – ein Lied über Prinzipien, Verantwortung und die Gefahr, sich selbst zu verlieren. Seine letzte Botschaft an das Publikum: „Gebt Amerika nicht auf.“
Ein letzter Akkord, ein Lichtstrahl auf der Bühne – und der Boss verschwand im nebligen Liverpooler Abend. Doch sein Kampf um die amerikanische Seele geht weiter. Vielleicht sogar auf US-Bühnen zum 250. Geburtstag der Vereinigten Staaten im Jahr 2026?
Bruce Springsteen bleibt der Beweis, dass Rock’n’Roll mehr sein kann als nur Unterhaltung. Er ist Warnung. Er ist Aufruf. Er ist Widerstand mit E-Gitarre.
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