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„Sobald das Geld weg ist, wird es schwierig“ – Rechtsanwalt Jens Reime über Online-Trading-Betrug und wie man sich schützt

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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Immer mehr Menschen fallen auf betrügerische Online-Trading-Plattformen herein. Allein im Stadt- und Landkreis Heilbronn liegt der Schaden inzwischen bei über sechs Millionen Euro. Die Polizei schlägt Alarm. Wir sprechen mit Jens Reime, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Bautzen, über die Masche der Täter, rechtliche Möglichkeiten für Betroffene – und worauf Anleger achten sollten.

Herr Reime, die Polizei Heilbronn warnt eindringlich vor sogenanntem Online-Trading-Betrug. Was genau passiert da eigentlich?

Reime: Die Täter geben sich über soziale Medien oder Messenger-Dienste – wie WhatsApp oder Telegram – als vermeintlich seriöse Finanzberater aus. Sie versprechen hohe Renditen durch Investments in Aktien, Fonds oder Kryptowährungen. Die Opfer werden auf professionell aussehende, aber gefälschte Trading-Plattformen gelockt und zu Einzahlungen animiert. Anfangs werden sogar „Gewinne“ vorgegaukelt – natürlich alles nur virtuell. Sobald genug Geld überwiesen wurde, ist es meist spurlos verschwunden. Und der angebliche Berater? Wie vom Erdboden verschluckt.

Die Ermittlungsgruppe „Trading“ in Heilbronn spricht von inzwischen über 130 Fällen. In vier besonders schweren wurden über 2,4 Millionen Euro erbeutet. Was bedeutet das rechtlich für die Betroffenen?

Reime: Leider oft nichts Gutes. Das Hauptproblem ist, dass die Täter in der Regel aus dem Ausland agieren – sie nutzen Server in Drittstaaten, verschleiern ihre Identitäten, operieren mit Strohmännern und gefälschten Firmenstrukturen. Eine Rückverfolgung ist für die Polizei extrem schwierig. Für Betroffene bedeutet das: Die Chance, ihr Geld jemals wiederzusehen, ist meist gering. In manchen Fällen lassen sich zivilrechtliche Ansprüche prüfen – etwa gegen Zahlungsdienstleister oder Banken, wenn diese Sorgfaltspflichten verletzt haben. Aber das ist immer eine Frage des Einzelfalls.

Was raten Sie jemandem, der glaubt, Opfer geworden zu sein?

Reime: Sofort Anzeige bei der Polizei erstatten – auch wenn die Erfolgsaussichten auf Rückerstattung gering sind. Parallel dazu sollten Betroffene einen spezialisierten Anwalt aufsuchen, um zu klären, ob rechtliche Schritte – z. B. gegen Banken, Zahlungsdienste oder sogar Vermittler – möglich sind. Wichtig: Niemals weiteren Forderungen der Täter folgen. Viele versuchen später, noch einmal Geld zu erpressen, angeblich um „Auszahlungen freizugeben“.


Wie erkenne ich denn als Laie eine solche Betrugsmasche überhaupt?

Reime: Es gibt einige klassische Warnsignale:

  • Kommunikation nur über Messenger-Dienste. Kein seriöser Finanzdienstleister berät ausschließlich über WhatsApp.

  • Unrealistische Renditeversprechen. Wenn jemand mit „sicheren“ 20 % Rendite pro Monat wirbt, ist das ein riesiges Alarmsignal.

  • Kein vollständiges Impressum auf der Website, kein Sitz in der EU, keine offizielle Regulierung.

  • Und: Keine unabhängigen Erfahrungsberichte. Einfach mal den Namen der Plattform mit dem Zusatz „Betrug“ googeln – das wirkt oft Wunder.

Was müsste aus Ihrer Sicht politisch oder rechtlich passieren, um solche Fälle besser zu verhindern?

Reime: Die EU ist bereits dabei, schärfere Vorschriften zur Bekämpfung von Online-Investmentbetrug umzusetzen, etwa durch die Digital Services Regulation. Aber auf nationaler Ebene brauchen wir dringend mehr Personal bei Polizei und Staatsanwaltschaften, das auf Online-Finanzbetrug spezialisiert ist. Und: Es muss endlich verpflichtende Informationspflichten für Plattformbetreiber geben, ähnlich wie bei echten Finanzinstituten. Wenn eine Webseite Geldgeschäfte ermöglicht, muss sofort klar sein, wer dahintersteht und wer haftet.

Ihr Fazit?

Reime: Online-Trading ist nicht per se schlecht – aber wer mit echten Investments spekulieren will, sollte sich gründlich informieren, niemals auf ungeprüfte Empfehlungen fremder Personen vertrauen und im Zweifel professionelle Beratung suchen. Wer glaubt, das große Geld schnell und ohne Risiko machen zu können, wird meist selbst zur Ware.


Vielen Dank für das Gespräch, Herr Reime.

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