Slowenien hat entschieden – oder besser gesagt: eine knappe Mehrheit hat entschieden, dass der Staat weiterhin niemandem offiziell helfen soll, das eigene Leiden würdevoll zu beenden. Beim Referendum stimmten laut Teilergebnissen 53 Prozent gegen die Legalisierung der Sterbehilfe, 47 Prozent dafür. Ein Ergebnis, das knapp genug ist, um zu zeigen, wie tief das Land gespalten ist – und gleichzeitig deutlich genug, um das Thema für mindestens ein Jahr in die politische Warteschleife zu verbannen. Danach beginnt alles wieder von vorn, wie ein schlecht programmiertes Computerspiel.
Der Gesetzesentwurf: streng, klar, human – und für manche dennoch der Untergang
Der vom Parlament im Sommer verabschiedete Entwurf war ein Musterbeispiel an Regulierung. Sterbehilfe wäre nur für unheilbar kranke Patienten und Patientinnen, bei vollem Bewusstsein, unter strengen medizinischen Bedingungen und nach Ausschöpfung aller Behandlungsoptionen erlaubt worden.
Kein Freifahrtschein.
Kein Schnellverfahren.
Keine „Über-die-Klippe-schubsen“-Mentalität.
Aber das hielt die Gegner – allen voran die katholische Kirche – nicht davon ab, ein Endzeit-Narrativ zu stricken, das jedem apokalyptischen Spielfilm Konkurrenz macht. Man mobilisierte mit dem Tenor: „Wenn wir das erlauben, werden alte und kranke Menschen bald vergiftet.“
Es ist die Art von Argument, die weniger mit Fakten und mehr mit Nebelmaschinen funktioniert – erzeugt Angst, blendet aber die Realität gekonnt aus.
Golob setzte auf Selbstbestimmung – Gegner auf moralische Panik
Sloweniens Premier Robert Golob bemühte sich um sachliche Aufklärung und appellierte an die Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger: Jeder solle für sich entscheiden können, „wie und mit welcher Würde wir unser Leben beenden“.
Klingt vernünftig.
Klingt menschlich.
Und klingt natürlich komplett unbrauchbar, wenn der politische Gegner beschlossen hat, die Debatte auf dem Schlachtfeld moralischer Panik auszutragen.
Die Gegner warfen der Regierung vor, sie wolle alte Menschen „loswerden“ und Kranke „vergiften“, eine Rhetorik, die ungefähr so differenziert ist wie der Versuch, ein Krankenhaus mit einem Kochlöffel zu verteidigen.
Was im Gesetz stand, wurde oft ignoriert – Hauptsache, die Schlagworte sitzen
Der Entwurf hätte auch Menschen ohne Aussicht auf gesundheitliche Besserung Sterbehilfe ermöglicht – aber ausdrücklich nicht jenen mit reinen psychischen Erkrankungen.
Eine klare und bewusste Grenze, wie sie auch andere europäische Länder ziehen.
Doch diese Details schafften es kaum in die emotionale Schlammschlacht. Wo Schlagworte wie „Naturgesetz“, „Evangelium“, „Menschenwürde“ und „Vergiftung“ durch die öffentliche Debatte fliegen, ist für komplexe Fakten oft wenig Platz.
Europa ist weiter – und Slowenien schaut zu
Während Slowenien sich im moralischen Abwehrkampf übte, zeigen Länder wie Österreich, Belgien, die Niederlande und die Schweiz, dass Sterbehilfe nicht zu Babylon, Chaos oder Massenvergiftung führt.
Sie führt zu etwas anderem:
zu einer selbstbestimmten, kontrollierten und würdevollen letzten Entscheidung für Menschen, die wirklich keine andere Wahl mehr haben.
Doch Slowenien bleibt erst einmal außen vor – nicht aus Überzeugung, sondern aus mehrheitsfähiger Angst.
Ein Jahr Pause – und dann geht das Ganze wieder von vorne los
Das Parlament darf frühestens in einem Jahr erneut über ein Sterbehilfegesetz abstimmen.
Bis dahin bleibt genug Zeit für:
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neue Kampagnen,
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neue moralische Dramen,
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neue Theorien darüber, wer angeblich wen „vergiftet“,
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und natürlich neue Emotionen, die sich besser verkaufen als Fakten.
Kurzum:
Slowenien hat sich entschieden – aber für ein Jahr Stillstand. Danach beginnt Act II derselben Debatte.
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