Der Moment, in dem Monica Moreta Galarza dachte, ihr Mann sei zumindest vorerst sicher, dauerte nur Sekunden. Nach einem routinemäßigen Anhörungstermin am New Yorker Einwanderungsgericht am 26 Federal Plaza verließ sie mit ihrem Mann Rubén Abelardo Ortiz López und den gemeinsamen Kindern das Gerichtsgebäude – erleichtert darüber, dass die Abschiebung vorerst ausgesetzt sei.
Doch kaum waren sie draußen, wurde ihr Mann von mehreren Beamten des US-Einwanderungs- und Zollbehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) überwältigt und festgenommen. Als sie sich an ihn klammerte, wurde sie von einem Beamten zu Boden gestoßen.
„Einer von ihnen rannte so aggressiv auf mich zu, dass ich panisch wurde“, sagte Moreta Galarza später im Gespräch mit BBC News Mundo.
„Sie haben uns wie Tiere behandelt.“
👮 ICE-Einsätze vor Gericht: Tägliche Realität
Der Fall hat in den sozialen Medien für Empörung gesorgt – und ist dennoch kein Einzelfall. Beobachter berichten von einem Klima der Angst und Eskalation rund um das New Yorker Einwanderungsgericht, das unter der Trump-Regierung zunehmend zum Zentrum der US-Abschiebepolitik geworden ist.
Zwischen Januar 2024 und Juli 2025 wurden laut Daten des Deportation Data Project über 3.300 Menschen im Raum New York City von ICE festgenommen – rund die Hälfte davon direkt in oder vor dem Gerichtsgebäude am 26 Federal Plaza.
In etwa drei Viertel dieser Fälle hatten die Betroffenen keine Vorstrafen oder laufenden Ermittlungen.
⚖️ Ein System im Ausnahmezustand
Rechtsanwältinnen und -anwälte schlagen Alarm:
„Für viele unserer Mandanten ist es einfach nur traumatisch“, sagt Allison Cutler von der New York Legal Assistance Group (NYLAG).
„Familien werden mitten im Verfahren auseinandergerissen.“
Immer häufiger würden Personen festgenommen, obwohl sie gerade dabei seien, Asylanträge oder andere Rechtsmittel einzureichen. Der Zugang zu anwaltlicher Unterstützung werde dabei oft verwehrt.
„Wir haben so etwas noch nie erlebt“, sagt auch Benjamin Remy, ein weiterer NYLAG-Anwalt, der täglich im Gerichtsgebäude arbeitet.
Die Folge: Immer mehr Betroffene trauen sich nicht mehr zu ihren Anhörungsterminen, aus Angst, unmittelbar danach festgenommen zu werden – was wiederum automatisch zur Ausweisung führen kann.
Ein Dilemma, das viele Anwält:innen als systematische Aushöhlung rechtsstaatlicher Verfahren kritisieren.
🧒 Kinder betroffen – Medien attackiert
Besonders tragisch: Auch Kinder sind regelmäßig Zeugen der teils gewaltsamen Festnahmen. In einem weiteren Fall Ende August beobachteten BBC-Reporter, wie ICE-Beamte einen Mann festnahmen, während seine Partnerin und ein kleines Kind versuchten, ihn festzuhalten. Die Frau wurde ebenfalls von Beamten weggezerrt – mutmaßlich vom gleichen Beamten, der auch Moreta Galarza angegriffen hatte.
Nach dem Vorfall mit Moreta Galarza wurde der betreffende Beamte laut dem US-Heimatschutzministerium (DHS) vorübergehend suspendiert.
Doch die Eskalationen setzen sich fort: In der vergangenen Woche wurden zwei Journalistinnen zu Boden gestoßen, als sie einen Einsatz filmen wollten. Eine von ihnen musste anschließend ins Krankenhaus gebracht werden. Eine Sprecherin des DHS erklärte, die Beamten seien „von Unruhestiftern und Medienvertretern bedrängt“ worden und hätten wiederholt zur Räumung des Bereichs aufgefordert.
🔥 Politischer Druck, rechtliche Grauzonen
US-Präsident Donald Trump rechtfertigt das harte Vorgehen als Teil seines Kampfes gegen „kriminelle illegale Einwanderer“. Laut Regierung handelte es sich bei Rubén Ortiz López, dem Ehemann von Moreta Galarza, um einen „gewalttätigen Straftäter“, der unter anderem wegen „Körperverletzung und Behinderung der Atmung“ angeklagt war.
„Wer illegal in unser Land kommt und unsere Gesetze bricht, wird verhaftet – und wird nie zurückkehren“, ließ Trump über seine Plattform Truth Social verlauten.
Tatsächlich wurde Ortiz López im März 2024 illegal in die USA eingereist und im Juni verhaftet. Doch juristische Beobachter mahnen zur Differenzierung: Viele Betroffene hätten laufende Asylverfahren oder seien noch nicht strafrechtlich verurteilt – und würden dennoch sofort abgeschoben.
💬 „Ich fühle mich wertlos“
Für Monica Moreta Galarza bleibt der Vorfall ein persönlicher Schock – und eine bittere Erinnerung an die Zustände, denen sie in ihrer Heimat entkommen wollte.
„Ich habe in meinem Land sehr viel gelitten. Niemand hat mich beschützt“, sagt sie.
„Ich hätte nie gedacht, dass mir in den USA dasselbe passiert.“
📌 Hintergrund:
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Seit Trumps Amtsantritt wurden Abschiebungen massiv ausgeweitet – besonders in sogenannten „sanctuary cities“ wie New York.
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Einwanderungsgerichte werden zunehmend von ICE genutzt, um Menschen direkt vor Ort festzunehmen.
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Rechtsbeistand wird Betroffenen häufig erst nach der Festnahme gewährt – wenn überhaupt.
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Kritik kommt von Menschenrechtsorganisationen, Anwälten und Beobachtern: Sie sprechen von einer „systematischen Entmenschlichung“ von Migranten.
🧭 Fazit:
Die Vorfälle am 26 Federal Plaza stehen exemplarisch für eine neue Härte in der US-Migrationspolitik. Zwischen Rechtsstaat, öffentlichem Druck und politischer Inszenierung bleibt der Mensch auf der Strecke – oft buchstäblich.
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