In Frankreich ist sie längst verboten, in Deutschland bleibt sie Alltag: die versteckte Preiserhöhung durch weniger Inhalt, auch bekannt als Shrinkflation. Während französische Supermärkte mittlerweile gesetzlich verpflichtet sind, Produkte klar zu kennzeichnen, deren Füllmenge reduziert wurde, lässt die Bundesregierung ein entsprechendes Gesetz weiter auf sich warten – obwohl es bereits 2023 angekündigt wurde. Verbraucherschützer sprechen von einem „Armutszeugnis“ für den deutschen Verbraucherschutz.
Verpackung bleibt gleich, Inhalt schrumpft
Das Prinzip ist einfach – und für viele Kundinnen und Kunden tückisch: Die Packung sieht aus wie immer, der Preis bleibt gleich, nur der Inhalt ist weniger. Ein Beispiel sind Airwaves-Kaugummis: Früher waren zwölf Stück in der Packung, heute sind es nur noch zehn – bei identischem Preis. Das entspricht einer versteckten Preiserhöhung von 20 Prozent.
Ähnlich dreist zeigen sich andere Hersteller: Bei den Big Erdnuss Flippies von funnyfrisch sank die Füllmenge von 175 auf 150 Gramm, während der Preis sogar leicht stieg – eine Preissteigerung um rund 22 Prozent pro Gramm.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist die Masche schwer zu erkennen, denn die Produktverpackungen bleiben nahezu unverändert. Selbst wer die Grammangabe auf der Rückseite liest, bemerkt oft nicht, dass der Inhalt über die Zeit geschrumpft ist.
Wenn nicht weniger, dann billiger: „Skimpflation“
Neben der Shrinkflation greift in den Regalen ein zweiter Trick um sich – die „Skimpflation“. Dabei ändern Hersteller die Rezepturen, um teure Zutaten durch günstigere Alternativen zu ersetzen. Der Saft wird wässriger, der Joghurt weniger cremig, die Schokolade süßer.
Ein Beispiel ist der Granini Trinkgenuss Orange, der 2024 von der Verbraucherzentrale Hamburg zur „Mogelpackung des Jahres“ gewählt wurde. Der Orangensaftanteil wurde halbiert, während Preis und Flasche gleichblieben. „Wir können nachvollziehen, dass Unternehmen gestiegene Kosten weitergeben wollen“, so die Verbraucherzentrale, „doch schrumpfende Füllmengen und minderwertige Zutaten sind der falsche Weg.“
Frankreich zeigt, wie Transparenz funktioniert
In Frankreich müssen Supermärkte seit Sommer 2024 deutlich sichtbar darauf hinweisen, wenn ein Produkt weniger Inhalt enthält, der Preis aber gleich geblieben ist. Auf den Regaletiketten steht dann etwa: „Achtung, geringere Füllmenge bei unverändertem Preis“.
Diese Regelung, die von der französischen Regierung als Verbraucherschutzmaßnahme gegen Irreführung eingeführt wurde, gilt als europaweit vorbildlich.
In Deutschland hingegen herrscht weiterhin gesetzliche Lücke. Die Bundesregierung hatte 2023 zwar eine Regelung angekündigt, doch konkrete Schritte blieben bislang aus. Stattdessen verweist das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Hersteller – die sich in der Praxis als wirkungslos erwiesen haben.
Verbraucherschützer werden deutlich
Für Verbraucherschützer ist die Untätigkeit ein Skandal. „Deutschland verschläft die Chance, Verbraucherinnen und Verbraucher vor dreisten Preistricks zu schützen“, sagt ein Sprecher der Verbraucherzentrale Hamburg. „Es kann nicht sein, dass Supermärkte und Konzerne sich mit Miniportionen und Maxipreisen auf Kosten der Kunden bereichern – und der Gesetzgeber wegschaut.“
Die Verbraucherschützer fordern klare Regeln: Transparenzpflichten wie in Frankreich, verbindliche Füllmengengrenzen und Sanktionen bei Irreführung. Nur so könne Vertrauen in die Preisgestaltung wiederhergestellt werden.
Ein Gesetz, das einfach wäre – aber niemand anfasst
Dass ein solches Gesetz technisch einfach umzusetzen wäre, macht die Sache umso unverständlicher. Die Kennzeichnungspflicht ließe sich an bestehende Preisschilder koppeln. Doch die Bundesregierung zögert offenbar, die Lebensmittelindustrie zu verärgern – die mit Verpackungsdesigns und Füllmengen seit Jahren geschickt spielt.
Für die Verbraucher bleibt die Botschaft bitter: Wer im Supermarkt nicht genau hinschaut, zahlt drauf – leise, schleichend und gesetzlich erlaubt. Während Frankreich längst Transparenz schafft, bleibt Deutschland beim Thema Shrinkflation – ganz im Sinne der Hersteller – auf Sparflamme.
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