Japan steht vor einem historischen Wendepunkt: Erstmals in der Geschichte des Landes könnte mit Sanae Takaichi eine Frau das Amt der Premierministerin übernehmen. Die 64-Jährige wurde von der Liberaldemokratischen Partei (LDP), der dominierenden politischen Kraft Japans, zur neuen Parteivorsitzenden gewählt – ein Amt, das traditionell auch den Zugang zur Regierungsspitze eröffnet.
🇯🇵 Ein konservativer Kurs mit symbolischer Bedeutung
Takaichi gilt als erzkonservative Politikerin, die dem rechten Flügel der LDP angehört. Politisch ist sie eng mit dem verstorbenen Ex-Premierminister Shinzo Abe verbunden, unter dem sie mehrere Ministerämter innehatte. Sie bezeichnet sich selbst als Bewunderin der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und hat wiederholt erklärt, sich an deren Führungsstil zu orientieren.
Mit ihrer Wahl betritt Takaichi politisches Neuland: Sie wird nicht nur die erste Frau an der Spitze der Partei, sondern wohl auch die erste Regierungschefin Japans – ein historischer Schritt in einem Land, in dem Frauen in Führungspositionen nach wie vor selten sind.
⚖️ Zwischen Symbolik und Skepsis
Während internationale Beobachter und Gleichstellungsbefürworter ihre Ernennung als Zeichen des Fortschritts werten, sehen viele japanische Frauen Takaichi nicht als Stimme weiblicher Emanzipation. Denn sie steht für traditionelle Rollenbilder und lehnt gesellschaftliche Liberalisierungen ab.
Takaichi hat sich wiederholt gegen die gesetzliche Möglichkeit ausgesprochen, dass Frauen nach der Heirat ihren Geburtsnamen behalten dürfen, und sie unterstützt keine gleichgeschlechtlichen Ehen. Kritiker werfen ihr vor, die Errungenschaften der Gleichstellungspolitik zu blockieren.
💰 Wirtschaft unter Druck
Eine ihrer größten Herausforderungen wird die Wirtschaftspolitik sein. Japan kämpft seit Jahren mit schwachem Wachstum, steigenden Lebenshaltungskosten und stagnierenden Löhnen. Takaichi hat angekündigt, die unter Abe eingeführte Strategie der „Abenomics“ fortzusetzen – ein Modell aus niedrigen Zinsen, staatlichen Konjunkturpaketen und aggressiver Geldpolitik, das Japans Wirtschaft nach Jahrzehnten der Stagnation ankurbeln soll.
🕊 Sicherheitspolitik und internationale Beziehungen
Auch außen- und sicherheitspolitisch steht Takaichi für eine harte Linie. Sie möchte Japans pazifistische Nachkriegsverfassung überarbeiten, um den Einsatz der Selbstverteidigungskräfte zu erweitern. Damit würde Japan eine aktivere Rolle in internationalen Sicherheitsfragen einnehmen – ein Schritt, der insbesondere in China und Südkorea kritisch gesehen wird.
Zudem muss Takaichi die angespannte Beziehung zu den USA unter einer möglichen zweiten Trump-Administration neu ausbalancieren und den bestehenden Handelsvertrag fortführen.
🗳 Nach turbulenten Jahren: Partei sucht Stabilität
Takaichis Wahl folgt auf den Rücktritt des bisherigen Premiers Shigeru Ishiba, der nach einer Reihe von Wahlniederlagen und parteiinternen Konflikten sein Amt niedergelegt hatte. Unter ihm verlor die LDP ihre Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments – ein Rückschlag, den Takaichi nun korrigieren muss.
Ihre Anhänger loben sie als durchsetzungsstark und entschlossen, Kritiker fürchten eine Rückkehr zu alten Machtstrukturen. Klar ist: Ihre Amtszeit wird entscheidend dafür sein, ob Japans konservative Regierungspartei Vertrauen zurückgewinnen kann – und ob das Land tatsächlich bereit ist, einer Frau politische Führung auf höchster Ebene dauerhaft zuzutrauen.
„Ich möchte Stabilität, Stärke und Vertrauen zurückbringen“, sagte Takaichi in ihrer ersten Ansprache nach der Wahl. „Japan braucht Mut – und klare Führung.“
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