Die Abwesenheit von Außenminister Sergej Lawrow bei einer hochrangigen Sitzung des russischen Sicherheitsrates am Mittwoch hat in Moskau Unruhe und Spekulationen ausgelöst. Die Sitzung, bei der Präsident Wladimir Putin öffentlich neue nukleare Waffentests in Betracht zog, fand ohne Lawrow statt – obwohl dieser als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats gilt.
Der Kreml bemühte sich schnell um Schadensbegrenzung: Regierungssprecher Dmitri Peskow erklärte, Berichte über eine mögliche Entmachtung Lawrows seien „völlig haltlos“. Auch Außenamtssprecherin Maria Sacharowa bestätigte, Lawrow bleibe im Amt – seine Abwesenheit sei „nicht ungewöhnlich“.
Besonders brisant: Kurz zuvor war bekannt geworden, dass nicht Lawrow, sondern ein rangniedrigerer Beamter – Maxim Oreschkin, stellvertretender Stabschef im Präsidentenbüro – die russische Delegation beim kommenden G20-Gipfel in Johannesburg leiten soll. Beobachter sehen darin einen möglichen Hinweis auf interne Machtverschiebungen oder zumindest auf ein zeitweiliges Abrücken Putins von seinem langjährigen Chefdiplomaten.
Die Spekulationen werden durch den jüngsten diplomatischen Rückschlag im Verhältnis zu den USA befeuert: Ein geplanter Gipfel zwischen Putin und US-Präsident Donald Trump in Budapest scheiterte überraschend – offenbar auch nach einem ergebnislosen Telefonat zwischen Lawrow und US-Außenminister Marco Rubio. In der Folge verhängte die US-Regierung neue Sanktionen gegen Moskau.
Lawrow, der seit über zwei Jahrzehnten das Gesicht der russischen Außenpolitik prägt und zuvor UN-Botschafter war, hat Putin durch alle geopolitischen Krisen hinweg loyal begleitet – von Georgien 2008 über die Annexion der Krim bis zum Krieg in der Ukraine. Bekannt ist er für seinen provokanten und konfrontativen Stil, den er zuletzt bei einem Treffen mit Trump in Alaska demonstrierte – mit einem Pullover mit der Aufschrift „CCCP“.
Trotz allem gilt: In Putins Russland zählen Loyalität und Stabilität mehr als personelle Transparenz. Frühere Kabinettsumbauten – wie beim Verteidigungsminister Sergej Schoigu – wurden oft eher als taktische Umstellungen denn als echte Absetzungen interpretiert.
Ob Lawrows Abwesenheit also nur ein kurzes Aussetzen war oder der Beginn eines schrittweisen Rückzugs – darüber wird in Moskau nun spekuliert. Bisher gibt es keine offizielle Erklärung, die über Allgemeinplätze hinausgeht.
Fazit: Lawrows Nichterscheinen bei einem sicherheitspolitisch brisanten Treffen sorgt für Nervosität – nicht nur wegen seiner Symbolkraft, sondern auch angesichts der angespannten geopolitischen Lage und internen Risse im Kreml.
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