Ein vermeintlich harmloser Witz wurde Japans Landwirtschaftsminister Taku Eto zum Verhängnis: Bei einer lokalen Parteiveranstaltung scherzte er, dass er „nie Reis kaufen müsse“, da er genug davon von Unterstützern geschenkt bekomme. In einem Land, das derzeit unter der schlimmsten Lebenshaltungskostenkrise seit Jahrzehnten leidet – insbesondere beim Grundnahrungsmittel Reis – sorgte die Aussage für Empörung.
Nur einen Tag später trat Eto zurück, nachdem Oppositionsparteien mit einem Misstrauensvotum drohten. Damit verliert Premierminister Shigeru Ishiba eine zentrale Figur seines ohnehin angeschlagenen Minderheitskabinetts – und das wenige Monate vor wichtigen nationalen Wahlen.
Reiskrise als politischer Sprengsatz
Der Preis für Reis hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt, und in Supermärkten hängen inzwischen Schilder mit der Aufforderung: „Nur ein Sack pro Familie“. Besonders betroffen sind junge Familien wie die von Memori Higuchi, einer Mutter aus Yokohama:
„Ich will, dass meine Tochter gesund aufwächst. Wenn die Preise weiter steigen, müssen mein Mann und ich beim Reis sparen“, so die 31-Jährige gegenüber der BBC.
Wie es so weit kommen konnte
Laut dem Agrarökonomen Prof. Kunio Nishikawa von der Universität Ibaraki ist die Misere auf eine Fehleinschätzung der Regierung zurückzuführen. Die landesweite Reiserzeugung lag 2024 bei 6,61 Millionen Tonnen – fast eine halbe Million Tonnen unter dem tatsächlichen Bedarf von 7,05 Millionen Tonnen.
Ursachen:
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Mehr Touristen nach der Pandemie
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Mehr Essen außer Haus
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Hitzeperioden mit schlechterer Erntequalität
Bauern zwischen Hoffnung und Frust
Landwirt Kosuke Kasahara aus Niigata erzählt, dass man jahrelang Verluste hinnehmen musste – viele Bauern seien auf Alternativprodukte wie Sojabohnen umgestiegen. Heute bringt 60 kg Reis auf dem Markt 40.000 bis 50.000 Yen – ein seltener Lichtblick.
Doch nicht alle freuen sich:
„Die Regierung hat uns immer gesagt, sie greift nicht in die Reispreise ein. Dass sie nun Notreserven auf den Markt bringt, fühlt sich wie Verrat an“, sagt Reisbauer Shinya Tabuchi.
Tatsächlich wurde im März ein Teil der staatlichen Notfallreserven freigegeben – eine Maßnahme, die bislang nur bei Naturkatastrophen erfolgte.
Ein sensibles Wahlkampfthema
Die Regierung Ishiba hat inzwischen sogar Reisimporte aus Südkorea genehmigt – zum ersten Mal seit 25 Jahren. Auch US-Reis könnte im Zuge eines neuen Handelsabkommens bald auf den Markt kommen. Doch viele Japaner wie Frau Higuchi lehnen ausländischen Reis ab:
„Wir reden seit Jahren von regionaler Produktion für regionalen Konsum. Ich will Reis aus Japan.“
Was nun?
In Japans ländlichen Regionen stehen nicht nur Höfe, sondern ganze Gemeinden auf dem Spiel. Während jüngere Landwirte wie Tabuchi ein freieres Marktmodell fordern, plädiert Kasahara für staatlich garantierte Mindestpreise:
„Ohne Unterstützung sterben unsere Dörfer aus.“
Die Regierung steht nun unter Druck, eine Balance zwischen den Bedürfnissen der Verbraucher und der Bauern zu finden – und das in einem Land, in dem Reis nicht nur Lebensmittel, sondern Symbolpolitik ist.
Ein unbedachter Witz über Reissäcke zeigt: In Japan kann ein Korn sehr wohl eine Regierung ins Wanken bringen.
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