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„Prospekt? Zulassung? Nichts davon. Finger weg.“

ghasoub (CC0), Pixabay
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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev zur BaFin-Warnung vor Marketplace24-7 GmbH (non-dom(.)group) und ihren Tipps für Betroffene

Frage: Frau Bontschev, was genau warnt die BaFin?
Kerstin Bontschev: Die BaFin sieht gleich zwei gravierende Punkte:

  1. Verdacht unerlaubter Bankgeschäfte/Finanzdienstleistungen – also ohne die in Deutschland nötige BaFin-Erlaubnis (§ 37 Abs. 4 KWG).
  2. Verdacht eines öffentlichen Angebots von Wertpapieren ohne Prospekt – konkret „Inhaberschuldverschreibungen“ – ohne einen von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekt (Art. 3 Abs. 1 EU-ProspektVO).
    Zusätzlich wird mit einer BaFin-Billigung kokettiert, die es nicht gibt. Das ist irreführend.

Frage: „Inhaberschuldverschreibung“ klingt seriös. Wo liegt das Risiko?
Bontschev: Juristisch ist das eine Schuldverschreibung (= Kredit an den Emittenten). Ihr größtes Risiko ist schlicht der Emittenten-Ausfall. Versprochene „passive Einkommen“ sind Marketing – keine Garantie. Bei Anbietern ohne Erlaubnis/Prospekt ist das Chancen-Risiken-Profil schlicht inakzeptabel.


Frage: Das Unternehmen sitzt in der Schweiz. Gilt die BaFin dann überhaupt?
Bontschev: Ja. Sobald in Deutschland (an hiesige Anleger) angeboten/gezeichnet wird, greifen die deutschen Zulassungs- und Prospektpflichten. Der Sitz im Ausland schützt nicht vor Aufsicht – er erschwert nur später die Durchsetzung.


Frage: Welche Warnsignale sollten Anleger sofort stutzig machen?
Bontschev:

  • BaFin gebilligt“ – ohne Prospekt-Hinweis/Verlinkung in die BaFin-Datenbank.
  • Kein Prospekt, nur Broschüren/One-Pager, keine ISIN, kein testiertes Zahlenwerk.
  • Impressum dünn oder falsch, wechselnde Domains (hier: veratixo…, non-dom… – allgemeiner red flag).
  • Renditeversprechen/„passives Einkommen“, Zeitdruck, „nur heute/limitiert“.
  • Vorab-Überweisung/Krypto, Wallet-Zahlung, ausländische Konten.
  • Berufung auf „BaFin/FINMA-ok“ ohne belastbare Nachweise.

Frage: Was sollte man vor jeder Zeichnung tun?
Bontschev:

  1. BaFin-Unternehmensdatenbank: Ist der Anbieter zugelassen?
  2. Datenbank „Hinterlegte Prospekte“: Gibt es einen gebilligten Prospekt?
  3. Impressum prüfen (ladungsfähige Anschrift, Register, Vertretung).
  4. Kein Geld und keine Ausweisdaten an nicht regulierte Anbieter.
  5. Niemals auf Messenger-Chats/Cold Calls reagieren – statt dessen alles dokumentieren.

Frage: Ich habe bereits überwiesen/gezeichnet. Was jetzt – konkret?
Bontschev: Sofort handeln – und keine „Freischaltgebühren/Steuern“ nachzahlen:

  1. Bank anrufen: Überweisungsrückruf/Fraud-Flag veranlassen (bei Karte: Chargeback; bei SEPA-Instant ist es sehr eng, trotzdem melden).
  2. Beweise sichern: Screenshots, PDFs, E-Mails, Zeichnungsschein, AGB, Konto-/Wallet-Adressen, Domain-URLs.
  3. Strafanzeige erstatten (Polizei/StA) wegen Betrugs/unerlaubter Geschäfte, Aktenzeichen notieren.
  4. BaFin informieren (Vorgang melden, auf die Warnung Bezug nehmen).
  5. Identität schützen: Falls Ausweise/Bankdaten übermittelt wurden → Passwörter ändern, 2FA aktivieren, Karten ggf. sperren, Schufa-Selbstauskunft.
  6. Rechtlich prüfen lassen: Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB), Rückabwicklung aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB), Schadensersatz. Bei Auslandsbezug Zuständigkeit/ anwendbares Recht (Gerichtsstands-/Rechtswahlklauseln, LugÜ) prüfen.

Frage: Gibt es Sonderrechte, wenn ohne Prospekt öffentlich angeboten wurde?
Bontschev: Ein unerlaubtes öffentliches Angebot kann aufsichts- und zivilrechtliche Folgen haben. Ob Widerrufs-/Schadensersatzrechte bestehen, hängt vom Einzelfall ab (Prospekthaftung, Falschberatung, Täuschung). Wichtig ist die saubere Beweissicherung – damit lässt sich zügig eine außergerichtliche Rückzahlung fordern oder klagen.


Frage: Viele Anbieter behaupten, „die BaFin habe unser Angebot gebilligt“. Wie werten Sie das?
Bontschev: Ist kein Prospekt bei der BaFin hinterlegt, ist diese Behauptung falsch. Das kann ein Täuschungsmerkmal sein und stützt Anfechtung/Schadensersatz. Wichtig: Selbst eine Prospektbilligung wäre kein Gütesiegel – sie prüft nur Vollständigkeit, Verständlichkeit, Kohärenz, nicht die wirtschaftliche Seriosität.


Frage: Welche Unterlagen benötigen Sie als Anwältin für eine erste Einschätzung?
Bontschev:

  • Zeichnung/Bestell- und Zahlungsbelege, Kontoauszüge, Wallet-Tx-Hashes,
  • Angebotsunterlagen, E-Mail-/Chat-Verkehr, Telefonnotizen,
  • Impressums-/Domain-Daten (WHOIS, Screenshots),
  • angebliche Prospekt-/Lizenz-Hinweise,
  • Gerichtsstands-/Rechtswahlklauseln.
    Je mehr zeitnahe Dokumentation, desto besser.

Frage: Ihre Sofort-Checkliste für Verbraucher?
Bontschev:

  • Stoppen: Keine weiteren Zahlungen oder „Gebühren“.
  • Rückrufen: Bank/KK-Issuer/Plattform sofort kontaktieren.
  • Sichern: Beweise (Screens, PDFs, Mails, Domains).
  • Anzeigen: Polizei/StA, BaFin informieren.
  • Absichern: Passwörter, 2FA, Karten/Banking, Schufa.
  • Beraten lassen: Spezialkanzlei einschalten.

Musterzeile an die Bank:

„Bitte die Zahlung vom [Datum], Betrag [€], Empfänger [Name/IBAN], wegen Betrugsverdachts umgehend zurückrufen/stoppen (§ 675u BGB). Ich bitte um schriftliche Bestätigung und Setzung eines Fraud-Flags.“


Frage: Und Ihr letzter Rat?
Bontschev: Kein Prospekt, keine Zulassung – kein Geld. Alles, was „passives Einkommen“ verspricht, aber BaFin-Nachweise schuldig bleibt, ist Tabu. Wer bereits gezahlt hat, sollte schnell und strukturiert vorgehen – und sich nicht von „Recovery-Agenten“ ein zweites Mal abzocken lassen.


Hinweis: Dieses Interview ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Lassen Sie Ihren konkreten Fall zeitnah prüfen und erstatten Sie Anzeige.

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