Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev zur BaFin-Warnung vor Marketplace24-7 GmbH (non-dom(.)group) und ihren Tipps für Betroffene
Frage: Frau Bontschev, was genau warnt die BaFin?
Kerstin Bontschev: Die BaFin sieht gleich zwei gravierende Punkte:
- Verdacht unerlaubter Bankgeschäfte/Finanzdienstleistungen – also ohne die in Deutschland nötige BaFin-Erlaubnis (§ 37 Abs. 4 KWG).
- Verdacht eines öffentlichen Angebots von Wertpapieren ohne Prospekt – konkret „Inhaberschuldverschreibungen“ – ohne einen von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekt (Art. 3 Abs. 1 EU-ProspektVO).
Zusätzlich wird mit einer BaFin-Billigung kokettiert, die es nicht gibt. Das ist irreführend.
Frage: „Inhaberschuldverschreibung“ klingt seriös. Wo liegt das Risiko?
Bontschev: Juristisch ist das eine Schuldverschreibung (= Kredit an den Emittenten). Ihr größtes Risiko ist schlicht der Emittenten-Ausfall. Versprochene „passive Einkommen“ sind Marketing – keine Garantie. Bei Anbietern ohne Erlaubnis/Prospekt ist das Chancen-Risiken-Profil schlicht inakzeptabel.
Frage: Das Unternehmen sitzt in der Schweiz. Gilt die BaFin dann überhaupt?
Bontschev: Ja. Sobald in Deutschland (an hiesige Anleger) angeboten/gezeichnet wird, greifen die deutschen Zulassungs- und Prospektpflichten. Der Sitz im Ausland schützt nicht vor Aufsicht – er erschwert nur später die Durchsetzung.
Frage: Welche Warnsignale sollten Anleger sofort stutzig machen?
Bontschev:
- „BaFin gebilligt“ – ohne Prospekt-Hinweis/Verlinkung in die BaFin-Datenbank.
- Kein Prospekt, nur Broschüren/One-Pager, keine ISIN, kein testiertes Zahlenwerk.
- Impressum dünn oder falsch, wechselnde Domains (hier: veratixo…, non-dom… – allgemeiner red flag).
- Renditeversprechen/„passives Einkommen“, Zeitdruck, „nur heute/limitiert“.
- Vorab-Überweisung/Krypto, Wallet-Zahlung, ausländische Konten.
- Berufung auf „BaFin/FINMA-ok“ ohne belastbare Nachweise.
Frage: Was sollte man vor jeder Zeichnung tun?
Bontschev:
- BaFin-Unternehmensdatenbank: Ist der Anbieter zugelassen?
- Datenbank „Hinterlegte Prospekte“: Gibt es einen gebilligten Prospekt?
- Impressum prüfen (ladungsfähige Anschrift, Register, Vertretung).
- Kein Geld und keine Ausweisdaten an nicht regulierte Anbieter.
- Niemals auf Messenger-Chats/Cold Calls reagieren – statt dessen alles dokumentieren.
Frage: Ich habe bereits überwiesen/gezeichnet. Was jetzt – konkret?
Bontschev: Sofort handeln – und keine „Freischaltgebühren/Steuern“ nachzahlen:
- Bank anrufen: Überweisungsrückruf/Fraud-Flag veranlassen (bei Karte: Chargeback; bei SEPA-Instant ist es sehr eng, trotzdem melden).
- Beweise sichern: Screenshots, PDFs, E-Mails, Zeichnungsschein, AGB, Konto-/Wallet-Adressen, Domain-URLs.
- Strafanzeige erstatten (Polizei/StA) wegen Betrugs/unerlaubter Geschäfte, Aktenzeichen notieren.
- BaFin informieren (Vorgang melden, auf die Warnung Bezug nehmen).
- Identität schützen: Falls Ausweise/Bankdaten übermittelt wurden → Passwörter ändern, 2FA aktivieren, Karten ggf. sperren, Schufa-Selbstauskunft.
- Rechtlich prüfen lassen: Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB), Rückabwicklung aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB), Schadensersatz. Bei Auslandsbezug Zuständigkeit/ anwendbares Recht (Gerichtsstands-/Rechtswahlklauseln, LugÜ) prüfen.
Frage: Gibt es Sonderrechte, wenn ohne Prospekt öffentlich angeboten wurde?
Bontschev: Ein unerlaubtes öffentliches Angebot kann aufsichts- und zivilrechtliche Folgen haben. Ob Widerrufs-/Schadensersatzrechte bestehen, hängt vom Einzelfall ab (Prospekthaftung, Falschberatung, Täuschung). Wichtig ist die saubere Beweissicherung – damit lässt sich zügig eine außergerichtliche Rückzahlung fordern oder klagen.
Frage: Viele Anbieter behaupten, „die BaFin habe unser Angebot gebilligt“. Wie werten Sie das?
Bontschev: Ist kein Prospekt bei der BaFin hinterlegt, ist diese Behauptung falsch. Das kann ein Täuschungsmerkmal sein und stützt Anfechtung/Schadensersatz. Wichtig: Selbst eine Prospektbilligung wäre kein Gütesiegel – sie prüft nur Vollständigkeit, Verständlichkeit, Kohärenz, nicht die wirtschaftliche Seriosität.
Frage: Welche Unterlagen benötigen Sie als Anwältin für eine erste Einschätzung?
Bontschev:
- Zeichnung/Bestell- und Zahlungsbelege, Kontoauszüge, Wallet-Tx-Hashes,
- Angebotsunterlagen, E-Mail-/Chat-Verkehr, Telefonnotizen,
- Impressums-/Domain-Daten (WHOIS, Screenshots),
- angebliche Prospekt-/Lizenz-Hinweise,
- Gerichtsstands-/Rechtswahlklauseln.
Je mehr zeitnahe Dokumentation, desto besser.
Frage: Ihre Sofort-Checkliste für Verbraucher?
Bontschev:
- Stoppen: Keine weiteren Zahlungen oder „Gebühren“.
- Rückrufen: Bank/KK-Issuer/Plattform sofort kontaktieren.
- Sichern: Beweise (Screens, PDFs, Mails, Domains).
- Anzeigen: Polizei/StA, BaFin informieren.
- Absichern: Passwörter, 2FA, Karten/Banking, Schufa.
- Beraten lassen: Spezialkanzlei einschalten.
Musterzeile an die Bank:
„Bitte die Zahlung vom [Datum], Betrag [€], Empfänger [Name/IBAN], wegen Betrugsverdachts umgehend zurückrufen/stoppen (§ 675u BGB). Ich bitte um schriftliche Bestätigung und Setzung eines Fraud-Flags.“
Frage: Und Ihr letzter Rat?
Bontschev: Kein Prospekt, keine Zulassung – kein Geld. Alles, was „passives Einkommen“ verspricht, aber BaFin-Nachweise schuldig bleibt, ist Tabu. Wer bereits gezahlt hat, sollte schnell und strukturiert vorgehen – und sich nicht von „Recovery-Agenten“ ein zweites Mal abzocken lassen.
Hinweis: Dieses Interview ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Lassen Sie Ihren konkreten Fall zeitnah prüfen und erstatten Sie Anzeige.
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