Inmitten politischer Blockaden, wachsender Bedrohungen und einem zunehmend vergifteten Klima kündigen immer mehr Mitglieder des US-Kongresses ihren Rücktritt an – teils vorzeitig, teils durch Verzicht auf eine Wiederwahl.
Zu den bekanntesten Namen gehört der Demokrat Dick Durbin aus Illinois, der nach über 40 Jahren im Kongress im kommenden Jahr nicht erneut kandidieren wird. Er ist damit einer von über 50 Abgeordneten und Senatoren, die laut Daten von Ballotpedia, NPR und Axios ihren Rückzug erklärt haben. Allein aus dem Repräsentantenhaus sind es mehr als 40.
Blockaden, Bedrohungen, Burnout
Durbin selbst betonte, dass er sich auf ein Leben ohne ständiges Pendeln zwischen Washington und Illinois freue – eine Reise, die er seit 1982 regelmäßig unternommen hat.
Doch neben persönlichen Gründen nennen viele Parlamentarier zunehmend systemische Probleme:
- Politische Blockaden, wie sie zuletzt während des längsten Regierungsstillstands der US-Geschichte sichtbar wurden
- Sicherheitsbedenken, insbesondere nach dem Mord an dem rechten Aktivisten Charlie Kirk
- Verlust von Einfluss, da die Regierung unter Präsident Trump vermehrt Kompetenzen vom Kongress auf die Exekutive überträgt
Der Demokrat Jared Golden aus Maine formulierte es deutlich:
„Was ich in diesem zunehmend unproduktiven Kongress erreichen kann, wiegt nicht annähernd auf, was ich in derselben Zeit als Ehemann, Vater und Sohn bewirken kann.“
„Toxisches Klima“ im politischen Alltag
Auch der erfahrene Republikaner Michael McCaul aus Texas verabschiedet sich nach rund 20 Jahren aus dem Repräsentantenhaus. In seiner Begründung sprach er offen von einem „toxischen politischen Umfeld“.
Als besonders belastend empfinden viele Abgeordnete die zunehmende Aggressivität in den Vorwahlen sowie das Verschwinden politischer Vorbilder. McCaul kritisierte:
„Wir reden alle davon, Christen zu sein – aber die politische Rhetorik ist alles andere als gottgefällig.“
Prominente Abgänge und sinkende Motivation
Besonders aufsehenerregend war auch der angekündigte Rücktritt von Marjorie Taylor Greene, einer republikanischen Hardlinerin und ehemals enger Verbündeten von Donald Trump. In ihrer Rücktrittserklärung beklagte sie die ständige Bedrohungslage – befeuert, so Greene, durch „den mächtigsten Mann der Welt“.
„Egal, ob das Pendel bei Demokraten oder Republikanern steht – für den einfachen Bürger wird nichts besser.“
Stillstand trotz Macht – und kleine Lichtblicke
Die Erosion demokratischer Normen unter der zweiten Trump-Administration hat das Machtverhältnis zwischen Kongress und Weißem Haus verschoben. Mehrfach verzögerten Bundesbehörden Auszahlungen oder kürzten Programme – oft ohne gesetzliche Grundlage.
In dieser angespannten Lage fiel zuletzt auf, dass der Kongress zwei Monate lang praktisch stillstand. Während des Rekord-Shutdowns gab es keine Sitzungen, Abstimmungen oder neuen Vereidigungen – sehr zum Ärger vieler Abgeordneter.
Trotz allem wurde ein bedeutendes Gesetz verabschiedet: Der „Epstein Files Transparency Act“ verpflichtet das Justizministerium, alle verfügbaren Informationen zur Epstein-Ermittlung offenzulegen. Das Gesetz wurde parteiübergreifend verabschiedet – auch gegen den anfänglichen Widerstand von Präsident Trump.
Der republikanische Abgeordnete Thomas Massie, einer der Mitverfasser des Gesetzes, sieht darin ein positives Signal:
„Viele verlassen das Amt, weil sie sich nur noch wie ein Stempel fühlen. Aber diese Abstimmung hat gezeigt: Wir können immer noch etwas bewegen.“
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