Der Oberste Gerichtshof der USA wird sich mit der Klage einer Beraterin gegen das Verbot von „Konversionstherapie“ für LGBTQ+-Minderjährige in Colorado befassen. Das Gericht will klären, ob das Verbot die Redefreiheit nach dem ersten Verfassungszusatz (First Amendment) verletzt.
Die Entscheidung, den Fall anzunehmen, kommt überraschend, da der Supreme Court in der Vergangenheit ähnliche Klagen abgelehnt hatte – zuletzt 2023. Doch mit der konservativen Mehrheit im Gericht wächst das Interesse an Fällen, die religiöse und persönliche Freiheitsrechte betreffen.
Was steht auf dem Spiel?
Das Gesetz, das 2019 in Colorado verabschiedet wurde, verbietet lizenzierte Fachkräfte, sogenannte „Konversionstherapien“ durchzuführen. Dabei handelt es sich um umstrittene Methoden, die versuchen, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person zu ändern. Die Praxis wird von führenden medizinischen Fachgesellschaften als schädlich abgelehnt, darunter die American Psychological Association und die American Psychiatric Association. Studien zeigen, dass diese „Therapien“ das Risiko für Depressionen und Suizidgedanken bei Jugendlichen erheblich erhöhen.
Colorados Generalstaatsanwalt Phil Weiser verteidigte das Gesetz:
„In Colorado setzen wir uns für professionelle Standards ein, damit niemand unter pseudowissenschaftlichen und schädlichen Methoden wie der sogenannten Konversionstherapie leiden muss.“
Die Klage: Angriff auf die Meinungsfreiheit?
Hinter der Klage steht die Organisation Alliance Defending Freedom (ADF), eine konservative Rechtsgruppe, die regelmäßig Fälle mit Bezug zu religiösen und persönlichen Freiheitsrechten vor Gericht bringt.
Die Klägerin, Beraterin Kaley Chiles, argumentiert, dass das Gesetz ihre freie Meinungsäußerung einschränkt. Sie möchte laut ihren Anwälten Klienten helfen, die sich selbst von „unerwünschten sexuellen Gedanken oder Gefühlen“ distanzieren wollen.
Ihr Anwalt Cody Barnett erklärte:
„Alle Amerikaner sollten frei sprechen und die bestmögliche Hilfe suchen können, die sie wünschen.“
Rechtliche Argumente und bisherige Urteile
Das U.S. District Court in Colorado hatte die Klage von Chiles bereits 2022 abgewiesen. Auch das U.S. Court of Appeals (10. Bezirk) bestätigte das Urteil 2023.
Richterin Veronica Rossman schrieb in ihrer Begründung:
„Das Gesetz reguliert nicht die Meinungsäußerung, sondern die Praxis der Konversionstherapie. Das bedeutet, dass die Diskussion über das Thema erlaubt ist, aber die Durchführung dieser Therapie untersagt bleibt.“
Ein anderer Richter, Harris Hartz, sah das jedoch anders und sprach in seinem abweichenden Votum von „Wortklauberei“, die eine ernsthafte Bedrohung für die Redefreiheit darstelle.
Drei konservative Richter des Supreme Court – Clarence Thomas, Samuel Alito und Brett Kavanaugh – hatten bereits 2023 signalisiert, dass sie bereit wären, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Mögliche Auswirkungen der Entscheidung
Die Entscheidung des Supreme Court könnte weitreichende Folgen haben:
- Bestätigung des Verbots: Würde das Gericht Colorados Gesetz bestätigen, wäre das ein starkes Signal, dass solche Verbote in anderen US-Bundesstaaten Bestand haben können.
- Aufhebung des Verbots: Sollte das Gericht jedoch zugunsten der Klägerin entscheiden, könnten ähnliche Gesetze in anderen Bundesstaaten gekippt werden – das würde die Rechte von LGBTQ+-Jugendlichen gefährden.
- Signalwirkung für andere Fälle: Das Verfahren könnte auch einen Präzedenzfall für künftige Auseinandersetzungen um LGBTQ+-Rechte und Meinungsfreiheit schaffen, insbesondere im Zusammenhang mit religiösen Überzeugungen.
Während republikanisch geführte Bundesstaaten derzeit Gesetze gegen geschlechtsbejahende medizinische Versorgung für Minderjährige erlassen, könnte dieses Urteil einen weiteren Rechtsstreit über staatliche Eingriffe in LGBTQ+-Themen auslösen.
Eine endgültige Entscheidung wird im Laufe des Jahres erwartet.
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