128 Tote, über 150 Vermisste, 14 Festnahmen, eine überhitzte Baustelle – und ein Staat, der überrascht tut, dass das mit der Feuergefahr vielleicht doch unterschätzt wurde. In einem der schlimmsten Brände seit 1948 ging der Wohnkomplex Wang Fuk Court in Flammen auf – und mit ihm jede Illusion von Kontrolle, Sicherheit oder wenigstens funktionierenden Rauchmeldern.
Bambus, Schaumstoff und Behördenversagen – was soll da schon schiefgehen?
Die Renovierung des 32-stöckigen Komplexes war, sagen wir, kreativ: Mit Bambusgerüsten, grünem Netz und hochgradig entflammbarer Dämmung verwandelte man das Gebäude in eine vertikale Lagerfeuer-Attraktion. Als es am 26. November zu brennen begann, fraßen sich die Flammen durch sieben der acht Türme – ein Tempo, das nicht einmal die Feuerwehr erwartete.
Fun Fact: Noch 2024 erklärte das Arbeitsministerium, das Risiko sei „relativ niedrig“. Wahrscheinlich war damit gemeint, dass das Risiko, nicht zu verbrennen, relativ niedrig war.
Die Schuldigen: Korruption, Baufirmen, Schweigen im Hochformat
Während Feuerwehrleute Katzen und eine Schildkröte retten, werden Bauleiter, Subunternehmer und Ingenieure verhaftet, die offenbar bei Prestige Construction mehr an Budgetoptimierung als an Brandschutz dachten. Die Polizei ermittelt wegen fahrlässiger Tötung, aber die Firma selbst äußert sich lieber gar nicht – vermutlich, weil das Sprechen in einem brennenden Gebäude ohnehin schwer ist.
Die Anti-Korruptionsbehörde ICAC hat inzwischen 14 Personen festgenommen, darunter leitende Bauleiter mit kreativen Definitionen von „sicherem Material“ (Spoiler: Fenster mit brennbaren Schaumstoffplatten zu blockieren ist NICHT Standard).
Die Regierung: Betroffen, schweigend, aber farblich abgestimmt
Am 29. November hielt Hongkongs politische Klasse kollektives Schweigen. Alle in Schwarz gekleidet, alle feierlich betroffen – und alle auf einem Haufen vor dem Regierungsgebäude. Man nannte es „Trauer“, Kritiker nannten es „organisiertes Gewissenserwachen für Fototermine.“
König Charles meldete sich sogar aus Großbritannien mit einem Beileidsschreiben – was vermutlich mehr Mitgefühl war, als die lokalen Behörden ihren Bürgern seit Beginn der Renovierungsarbeiten zeigten.
Weniger Demonstrationen, mehr tote Hausangestellte
Während sich Proteste bislang im Rahmen halten – autoritäre Nachwirkungen von 2019 sei Dank – regt sich langsam Unmut. Indonesische und philippinische Hausangestellte sind unter den Opfern, wieder einmal am stärksten betroffen: eingesperrt in engen Räumen, ohne Fluchtwege. Eine philippinische Frau überlebte nur, weil sie sich und das Baby ihrer Arbeitgeber stundenlang in ein nasses Handtuch wickelte. Aber hey – immerhin war die Dämmung modern.
Eine Petition fordert nun Untersuchung, Rechenschaft, Entschädigung und Bauaufsicht, also all die Dinge, die man sich wünscht, bevor ein Wohnblock brennt.
China meldet sich – und droht wie immer mit allem außer Lösungen
Statt Selbstreflexion schaltet sich Chinas nationale Sicherheitsbehörde ein – mit einem Statement, das zwischen Warnung und Vorwurf pendelt: Man werde „niemanden dulden, der das Unglück nutzt, um Unruhe zu stiften“. Übersetzt heißt das: „Keine Fragen bitte, sonst brennt’s demnächst woanders.“
Fazit: Was brennt, war nie ganz sauber
Wang Fuk Court steht exemplarisch für einen politischen und wirtschaftlichen Brandherd: unkontrollierte Bauwirtschaft, systemischer Filz, und eine Regierung, die lieber trauert als verhindert. Die Toten – viele davon Arbeiterinnen, Migranten, Rentner – zahlen den Preis für eine Verwaltung, die sich in Floskeln flüchtet.
Während Hongkong trauert, fragt man sich: Was ist gefährlicher – der Schaumstoff an der Wand oder das Schweigen danach?
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