Tätowierungen gelten für viele Menschen als Ausdruck von Individualität und Kultur. Eine neue internationale Studie wirft nun jedoch Fragen zu möglichen gesundheitlichen Langzeitfolgen auf – insbesondere mit Blick auf das Immunsystem. An der Forschung waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zwölf internationalen Arbeitsgruppen beteiligt, darunter auch das Biologische Zentrum der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass gängige Tätowierpigmente das Immunsystem belasten, Entzündungsprozesse auslösen und unter bestimmten Umständen sogar die Wirksamkeit von Impfstoffen verringern könnten. Untersucht wurden vor allem schwarze, rote und grüne Pigmente, da diese weltweit am häufigsten verwendet werden.
Nach den Forschungsergebnissen verbleibt die Tätowierfarbe nicht dauerhaft nur in der Haut. Bereits wenige Stunden nach dem Tätowieren wandern Pigmentpartikel über das Lymphsystem in die Lymphknoten. Dort reichern sie sich in großen Mengen an und können über Jahre – teilweise sogar Jahrzehnte – nachweisbar bleiben. In den Lymphknoten werden die Pigmente von sogenannten Makrophagen aufgenommen. Diese Immunzellen sind normalerweise dafür zuständig, Krankheitserreger oder schädliche Stoffe zu beseitigen.
Im Gegensatz zu Bakterien oder Viren können die Makrophagen die Tätowierpigmente jedoch nicht abbauen. Die dauerhafte Belastung führt dazu, dass die Zellen überfordert werden, Schaden nehmen und teilweise absterben. Besonders ausgeprägt war dieser Effekt laut Studie bei schwarzer und roter Tinte. Die Forscher beobachteten diese Vorgänge sowohl in Tiermodellen als auch in menschlichen Gewebeproben aus Lymphknoten – teils viele Jahre nach dem Tätowiervorgang.
Die Immunreaktion auf das Tätowieren verläuft dabei in zwei Phasen. Zunächst kommt es zu einer akuten Entzündung, die kurz nach dem Tätowieren einsetzt und innerhalb weniger Tage abklingt. Daran schließt sich jedoch eine längerfristige Phase an, in der Entzündungsprozesse und eine Aktivierung von Immunzellen in den Lymphknoten über mindestens zwei Monate anhalten können. Diese anhaltende Immunaktivität könnte nach Einschätzung der Forschenden langfristige Auswirkungen haben.
Besonders aufmerksam verfolgt wurde in der Studie der Zusammenhang zwischen Tätowierungen und Impfungen. In Experimenten mit Mäusen zeigte sich, dass tätowierte Tiere nach einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff deutlich weniger Antikörper bildeten als nicht tätowierte Vergleichstiere. Die Wissenschaftler vermuten, dass durch die Pigmente geschädigte oder dauerhaft gebundene Immunzellen Antigene weniger effizient verarbeiten können. Auch in Versuchen mit menschlichen Immunzellen ließ sich eine abgeschwächte Reaktion auf Antigene feststellen, wenn diese zuvor Tätowierfarbe ausgesetzt waren.
Martin Palus vom Biologischen Zentrum der Tschechischen Akademie der Wissenschaften betont, dass Tätowierfarbe aus immunologischer Sicht nicht als neutral betrachtet werden könne. Sie verändere das Umfeld der Lymphknoten langfristig – ein Aspekt, der sowohl bei Infektionskrankheiten als auch bei Impfreaktionen eine Rolle spielen könne. Besonders relevant könnten diese Effekte für Menschen sein, die großflächige oder zahlreiche Tätowierungen haben.
Die Forschenden weisen allerdings auch darauf hin, dass weitere Untersuchungen nötig sind, um die klinische Bedeutung dieser Ergebnisse für den Menschen abschließend zu bewerten. Derzeit lassen sich keine pauschalen Aussagen darüber treffen, ob Tätowierungen generell krank machen oder Impfungen wirkungslos werden. Vielmehr handelt es sich um Hinweise auf mögliche Risiken, die bislang wenig beachtet wurden.
Die Forschungsarbeit ist daher nicht abgeschlossen. Die Hauptautoren der Studie, Santiago F. González und Martin Palus, planen weiterführende Untersuchungen. In einem beantragten internationalen Forschungsprojekt wollen sie insbesondere klären, wie Tätowierpigmente die Immunantwort bei Infektionskrankheiten beeinflussen und ob bestimmte Farben oder Pigmentzusammensetzungen problematischer sind als andere.
Die Studie liefert damit neue Impulse für die Debatte über die gesundheitliche Sicherheit von Tätowierungen – ohne Alarmismus, aber mit dem klaren Hinweis, dass Tätowierfarben im Körper weit mehr bewirken können als bisher angenommen.
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