Mehr als 20.000 E-Mails des verstorbenen Finanzmoguls und verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein, veröffentlicht am 12. November vom US-Kongress, geben nun detaillierte Einblicke in die Art von Beziehungen, die Epstein mit einigen der einflussreichsten Personen der Welt pflegte – darunter Politiker, Akademiker, Geschäftsleute und Prominente.
Epstein, der 2019 unter fragwürdigen Umständen in einer Gefängniszelle in Manhattan starb, war jahrzehntelang als Strippenzieher zwischen Geld, Macht und Geheimnissen tätig. Die jetzt veröffentlichten E-Mails zeigen: Viele seiner „Freunde“ wandten sich mit allen erdenklichen Anliegen an ihn – von medizinischen Empfehlungen bis hin zu Beziehungsdramen.
Trump, Macht und die Frage nach dem Kokain
Ein häufiger Korrespondenzpartner war Larry Summers, früherer Finanzminister unter Clinton und Präsident von Harvard. Am 2. Oktober 2016 fragte Summers in einer E-Mail:
„Wie plausibel ist die Idee, dass Trump Kokain nimmt?“
Epsteins Antwort:
„Null!“
Solche Konversationen zwischen Epstein und Summers, oft voller Klatsch, Ironie und zweideutiger Andeutungen, durchziehen das gesamte E-Mail-Paket. Epstein lud Summers regelmäßig zu Treffen mit Persönlichkeiten ein – darunter ein Abendessen mit einem „Rothchild“ und dem Milliardär Woody Johnson, den Trump später zum Botschafter in Großbritannien ernannte.
„Ist sie eine Prostituierte?“ – Beziehungsberatung von Epstein
Auch Jonathan Farkas, Sohn eines Kaufhaus-Erben und Ehemann einer Trump-Botschafterin, suchte bei Epstein Rat zu einer Frau, mit der er eine Affäre hatte.
„Vorsicht, sie ist überhaupt nicht vertrauenswürdig“, warnte Epstein.
„Ist sie eine Prostituierte?“ fragte Farkas.
Epstein:
„Alkohol. Drogen. Instabil. Chronische Lügnerin. VORSICHT.“
Nebenbei erwähnte Farkas, dass seine Frau „wegen ihrer Spenden für Trump“ einen Posten in einer Kommission erhalten habe.
Literaturtipps: „Lolita“ auf dem Lolita Express
Lisa New, Harvard-Professorin und Ehefrau von Larry Summers, wandte sich ebenfalls mehrfach an Epstein – u.a. mit der Bitte um finanzielle Unterstützung für ihre PBS-Serie Poetry in America.
In einer E-Mail empfahl sie Epstein den Roman Lolita – eine Geschichte über einen älteren Mann und seine sexuelle Obsession mit einem jungen Mädchen. Ohne erkennbare Ironie schrieb sie:
„Das Buch hat ähnliche Themen wie Lolita. Es geht um einen Mann, dessen Leben für immer von einem jungen Mädchen geprägt wurde.“
Brisant: Epsteins Privatjet, mit dem er unter anderem junge Mädchen auf seine Karibikinsel flog, wurde später in der Öffentlichkeit als „Lolita Express“ bekannt.
Zwischen Abscheu und Vertraulichkeit: Obama-Juristin und Epstein
Kathryn Ruemmler, einstige Chefjuristin im Weißen Haus unter Obama und bekannt für ihre Rolle im Enron-Prozess, schrieb 2017 in einer E-Mail an Epstein:
„Trump ist wirklich dumm.“
In einer anderen Nachricht bezeichnete sie ihn schlicht als „widerlich“.
Epstein wiederum prahlte:
„Donald besitzt eigentlich nicht viel, er vermietet nur seinen Namen.“
Und:
„Ich weiß, wie schmutzig Donald ist.“
Wahlkampf 2016: Ein letzter Gefallen gegen Trump
Michael Wolff, Autor des Trump-Enthüllungsbuchs Fire and Fury, versuchte kurz vor der Wahl 2016 Epstein zu überzeugen, öffentlich gegen Trump aufzutreten:
„Du könntest jetzt rausgehen und über Trump sprechen – das würde dir Sympathie bringen und ihm schaden.“
Ob Epstein darauf reagierte, bleibt unklar.
Was bleibt: Fragen und Schatten
Epstein, ohne Collegeabschluss und mit undurchsichtiger Karriere, bewegte sich mühelos im innersten Zirkel der Macht. Die E-Mails zeigen einen Mann, der nicht nur finanzielle Macht ausübte, sondern auch als Beichtvater, Strippenzieher und Gerüchtebroker gefragt war.
Doch sie zeigen auch, wie viele aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft trotz seiner offensichtlichen Verfehlungen – oder vielleicht gerade deshalb – Kontakt zu ihm suchten. Offenbar, weil sie glaubten, dass Epstein ihnen geben konnte, was andere nicht konnten: Einfluss.
Die Enthüllungen werfen nicht nur ein neues Licht auf das Netzwerk rund um Epstein – sondern auch auf die moralischen Kompasse vieler bekannter Namen.
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