Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat offiziell um eine Begnadigung in seinem laufenden Korruptionsprozess gebeten. In einem Schreiben an Staatspräsident Jitzchak Herzog erklärte Netanjahu, sein Prozess sei zum „Zentrum heftiger gesellschaftlicher Auseinandersetzungen“ geworden und stelle eine Belastung für das Land dar. Der Antrag wurde am Donnerstag eingereicht und am Sonntag öffentlich gemacht.
In dem einseitigen Brief betont Netanjahu zwar, dass es in seinem „persönlichen Interesse“ liege, seine Unschuld vor Gericht zu beweisen – gleichzeitig jedoch fordere das „öffentliche Interesse“ eine andere Lösung. Eine Schuld eingestanden hat er in dem Schreiben nicht. Auch über seine politische Zukunft machte er keine Angaben.
Präsident Herzog bestätigte den Eingang des Antrags und ließ verlauten, dass er diesen „mit großer Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein“ prüfen werde. In Israel hat nur der Präsident das Recht, eine Begnadigung zu gewähren. In der Regel erfolgt dies jedoch erst nach einer Verurteilung – Netanjahu steht jedoch noch vor Gericht.
Die Reaktionen auf den Vorstoß fielen gespalten aus. Oppositionsführer Yair Lapid forderte Herzog auf, die Bitte in ihrer jetzigen Form abzulehnen. „Eine Begnadigung ohne Schuldeingeständnis, ohne Reue und ohne politischen Rückzug darf es nicht geben“, sagte Lapid in einer Videobotschaft.
Auch der linke Politiker Yair Golan äußerte sich deutlich: „Nur jemand, der schuldig ist, bittet um eine Begnadigung.“ Netanjahu sei seit acht Jahren angeklagt, die Verfahren hätten Bestand – ein Freispruch sei nicht in Sicht.
Unterstützung bekam der Premierminister hingegen von seinen rechtsgerichteten Koalitionspartnern. Der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, sprach von einer „notwendigen Maßnahme im Interesse der Staatssicherheit“.
Zusätzlichen Druck übte der frühere US-Präsident Donald Trump aus, ein langjähriger Verbündeter Netanjahus. In einem Brief an Herzog appellierte Trump persönlich für eine Begnadigung und nannte Netanjahu einen „entschlossenen Kriegszeit-Premierminister“, der nun den Frieden in Israel fördern könne.
Eine aktuelle Umfrage des israelischen Senders Channel 12 zeigt ein gespaltenes Meinungsbild: 48 % der Befragten sprachen sich gegen eine bedingungslose Begnadigung aus, 44 % waren dafür. Der Rest war unentschlossen.
Der Fall Netanjahu umfasst mehrere Anklagepunkte – darunter Bestechung, Betrug und Vertrauensbruch. Im schwerwiegendsten Fall soll er dem Telekommunikationsunternehmen Bezeq Vorteile im Wert von über 250 Millionen Dollar gewährt haben. Im Gegenzug soll das Nachrichtenportal Walla!, das dem Bezeq-Eigentümer gehörte, positiv über ihn berichtet haben. Netanjahu weist alle Vorwürfe zurück.
Sein Prozess, der 2020 begann, zieht sich über Jahre hin und wurde immer wieder verschoben – meist auf Antrag der Verteidigung. Wann Präsident Herzog über das Gnadengesuch entscheidet, ist offen. Ein Urteil wird jedoch nicht in naher Zukunft erwartet.
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