Die US-Drogenkrise hat eine neue schockierende Wendung genommen: Forscher haben in illegalem Fentanyl hohe Mengen einer Industriechemikalie gefunden, die eigentlich für Plastikproduktion verwendet wird. Die Substanz, bekannt als BTMPS (bis(2,2,6,6-tetramethyl-4-piperidyl) sebacate), schützt Kunststoffe vor UV-Strahlen – doch was sie im menschlichen Körper anrichtet, ist weitgehend unerforscht.
„Das ist wohl eines der größten Rätsel meiner Karriere“, sagte Morgan Godvin, Projektleiterin bei Drug Checking Los Angeles an der UCLA und Mitautorin der Studie, die letzte Woche im Journal JAMA veröffentlicht wurde.
Mehr Plastikschutzmittel als Fentanyl?
Für die Untersuchung wurden Drogenproben aus neun verschiedenen Städten getestet, die Konsumenten freiwillig in Überwachungsprogramme in Los Angeles und Philadelphia brachten. Ergebnis: BTMPS war in allen neun Standorten nachweisbar – und in vielen Fällen bestand die Probe zu einem größeren Anteil aus BTMPS als aus Fentanyl selbst! Der durchschnittliche Gehalt lag bei 8,6 %, einige Proben enthielten sogar mehr als 56 % der Chemikalie.
Dr. Chelsea Shover, die leitende Autorin der Studie, ist beunruhigt: „Die Menge ist so hoch, dass sie nicht nur aus der Herstellung stammen kann – sie wird offenbar absichtlich oder fahrlässig hinzugefügt.“
Wie gelangt BTMPS ins Fentanyl?
Forscher rätseln über die Herkunft der Chemikalie im Fentanyl-Vorrat. Drei Theorien stehen im Raum:
- Unabsichtliche Kontamination während der Herstellung – möglicherweise durch Materialien, die mit dem Fentanyl in Kontakt kommen.
- Veränderung der Synthesemethoden, bei denen BTMPS als Nebenprodukt entsteht.
- Gezielte Streckung der Drogen, um die Gewinnmargen zu erhöhen.
Doch die Langzeitfolgen für Konsumenten sind unbekannt. Tierversuche zeigen, dass BTMPS Organschäden, Hautreizungen, Herzprobleme und sogar tödliche Vergiftungen verursachen kann. Experten befürchten auch, dass die Chemikalie das Lungengewebe schädigt, wenn sie inhaliert wird.
„Wer über längere Zeit mit BTMPS versetztes Fentanyl konsumiert, könnte eine geringere Toleranz gegenüber reinem Fentanyl entwickeln – was das Risiko einer tödlichen Überdosis massiv erhöht“, warnt Godvin.
Fentanyl bleibt Haupttreiber der US-Drogenkrise
Fentanyl ist nach wie vor für den Großteil der Drogentodesfälle in den USA verantwortlich. Laut den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) sind synthetische Opioide wie Fentanyl an zwei Dritteln aller Überdosierungen beteiligt.
Ein aktueller Bericht des Labors Millennium Health zeigt zudem, dass die Menge an Fentanyl in der illegalen Drogenszene leicht rückläufig ist – 12 % weniger positive Proben im Vergleich zum Höchststand von 2022. Allerdings hatten 93 % der Fentanyl-Konsumenten mindestens eine weitere Substanz im Körper, mehr als die Hälfte sogar drei oder mehr verschiedene Drogen.
Fazit: Die Drogenkrise bleibt unberechenbar
Die Entdeckung von BTMPS zeigt, wie unvorhersehbar und gefährlich die illegale Drogenproduktion geworden ist. Dr. Nabarun Dasgupta von der University of North Carolina, dessen Labor bereits über 850 Proben mit BTMPS in 14 Bundesstaaten analysiert hat, fasst es treffend zusammen:
„Eine unregulierte Drogenversorgung wird dich immer überraschen.“
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