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Moldawien – das Land, in dem Oligarchen immer eine Hintertür finden

Hans (CC0), Pixabay
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Wer in Moldawien noch glaubt, man könne mit ein bisschen Rechtsstaat und EU-Kurs die alte Oligarchen-Hydra zähmen, hat Ilan Șor nicht zu Ende gelesen. Der Mann ist verurteilt (15 Jahre wegen Betrugs und Geldwäsche), flüchtig (mutmaßlich in Moskau), politisch „verboten“ – und trotzdem allgegenwärtig. Willkommen in der Republik Klientelpolitik, wo die Kundenkarte die Wahlkabine ersetzt und Sozialrabatte zur Pipeline russischer Einflussnahme werden.

Der Wohltäter mit der großen Geste – und dem noch größeren Loch in der Kasse

Orhei, Șors Spielplatz: kostenloser Nahverkehr, Sozialmärkte, Sozialapotheken, OrheiLand mit Feuerwerk und Selfie-Tauglichkeit. Sah alles wunderbar aus – bis man auf die Frage nach dem Geld kam. Es stammt, so das Urteil, aus jenem legendären Milliardenraub: Scheinkredite, drei Banken, ein Loch, das Moldawien noch Jahrzehnte spürt. Șor nahm’s als Kapital für Popularität zum Mitnehmen. Ergebnis: Ein ganzes Land lernt, dass man Stimmen mit subventioniertem Zucker und Gratis-WLAN im Kleinbus kaufen kann.

Verbotene Partei? Kein Problem. Neues Label drauf, weiter geht’s.

Șors Partei ist verboten? Macht nichts. Dann heißt das Ganze „Pobeda“ (Sieg), und wenn das nicht registriert wird, wird eben das nächste Vehikel gegründet. Ein permanentes Formwandel-Programm, solange die Geldadern zum Kreml nicht abgeklemmt werden. Behörden schließen Zentrale? Gut fürs Foto, weniger für die Strukturen. Die Netzwerke bleiben.

Digitale Nebelwerfer: Die „Armee“, die nie schläft

Während die proeuropäische PAS (Präsidentin Maia Sandu) versucht, reale Reformen durch einen realen Haushalt zu drücken, marschiert die „Digitalarmee des Kreml“ durch TikTok und Co.: 250.000 Spam-Accounts, 100.000 Fake-Konten in wenigen Wochen – nur die letzte Welle. Ziel: Angst. Moldawien werde „die nächste Ukraine“, heißt es. Und wenn die Stromrechnung steigt, ist natürlich nicht der russische Gashahn 2021 schuld, den Moskau drehte, sondern die Regierung in Chișinău. So geht Gaslighting im Wortsinn.

Personal aus dem Katalog: Heute Gutul, morgen Vlah

Evghenia Gutul, Gagausien-Gouverneurin, bekam „massive Unterstützung“ aus Russland – bis ein Gericht sieben Jahre Haft verhängte (illegale Finanzierung der Șor-Strukturen). Der Kreml ruft „politisch motiviert“, blättert um und legt die nächste Karte: Irina Vlah. Im „Patriotischen Block“ als freundlich lächelnde Abrissbirne des EU-Kurses aufgestellt. Sanktionen aus Kanada und Litauen? Stören nur die Kulisse. Wenn die PAS keine Mehrheit schafft, schlägt ihre Stunde. So simpel ist das Drehbuch.

Die bequeme Lüge: Wohltat statt Raub

Șors Methode ist perfide, weil sie funktioniert:

  • Du gibst Rabatte, Busse, Parks – und verkaufst es als „Sozialpolitik“.

  • Du speist undurchsichtige Mittel in sichtbare Projekte.

  • Du erklärst Dich selbst zum Mann des Volkes, während das Volk die Reparaturrechnung zahlt.

Das ist kein Sozialstaat. Das ist Sozial-Show. Klientelpolitik mit Selfie-Garantie und Abhängigkeitseffekt.

Die Wahl als Stresstest: EU-Kurs oder Rückfahrkarte

Diese Wahl ist kein „normaler Urnengang“, sie ist ein Stresstest:

  • Setzt Moldawien seinen EU-Kurs fort, mit all der Mühsal, die echte Reformen bedeuten (und die nicht sofort die Stromrechnung senken)?

  • Oder kauft es sich Ruhe mit russischen Versprechen, die in der Praxis immer politische Geiselhaft bedeuten?

Der Politologe Igor Boțan sagt es nüchtern: Die Strategie der prorussischen Kräfte ist Angst + Amnesie. Angst vor Krieg, Amnesie bei Gas und Geld. Beides zusammen ergibt die perfekte Ausrede, um das Land zurück in den Einflussraum Moskaus zu schieben – mit Șor als Lieferservice.

Fazit: Moldawien wird seine Oligarchen los – oder seine Zukunft

Es gibt Momente, da entscheidet sich, ob ein Staat erwachsen wird. Moldawien ist genau da.
Wer Șor und seine „Sozialwunder“ wählt, wählt billige Tricks und teure Abhängigkeiten. Wer EU-Kurs wählt, wählt langsame, echte Veränderung – unsexy, ungeduldig, aber eigenständig.

Die Oligarchen gehen nicht, weil man es nett bittet. Sie gehen, wenn ihr Geschäftsmodell nicht mehr trägt. Und das passiert nur, wenn sich am Ende eine einfache Erkenntnis durchsetzt: Rabatt ist keine Politik.

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