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London testet KI zur Vorhersage potenzieller Mörder – Bürgerrechtler schlagen Alarm

JuliusH (CC0), Pixabay
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Die britische Regierung arbeitet an einem umstrittenen Forschungsprojekt, das mithilfe von künstlicher Intelligenz potenzielle Mörder identifizieren soll – noch bevor eine Straftat überhaupt begangen wurde. Das berichtet der Guardian unter Berufung auf die Bürgerrechtsorganisation Statewatch, die interne Regierungsunterlagen ausgewertet hat.

Demnach sollen Algorithmen mit umfassenden Daten gespeist werden, um Risikoprofile zu erstellen. Ziel sei es, Personen herauszufiltern, die statistisch gesehen besonders gefährdet sind, zukünftig ein Tötungsdelikt zu begehen – darunter auch Menschen, die selbst Opfer von Gewalt geworden sind.

Justizministerium verteidigt „Prävention“, Kritiker sprechen von Überwachung

Das britische Justizministerium verteidigt das Projekt als potenziellen Beitrag zur öffentlichen Sicherheit. Durch frühzeitige Erkennung möglicher Gefahren könnten Leben geschützt werden, heißt es in dem Bericht.

Kritiker wie Statewatch hingegen warnen vor einem dystopischen Überwachungsstaat, in dem Menschen anhand von statistischen Wahrscheinlichkeiten kriminalisiert würden. Besonders problematisch sei, dass auch Daten über Selbstverletzungen, psychische Erkrankungen, häusliche Gewalt und Suchtverhalten in die Analyse einfließen sollen – also hochsensible Informationen.

Wer gilt als „gefährlich“? Und wer entscheidet das?

Offiziell betont die Regierung, es würden nur Informationen von Personen verwendet, die bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten seien. Laut Guardian umfassen die Analysen aber auch weitere Datenpunkte wie das Alter beim ersten Polizeikontakt, Hinweise auf Suizidalität oder mentale Krisen.

Bürgerrechtler sehen in der Datenbasis einen möglichen systemischen Bias: Vor allem sozial benachteiligte Gruppen und ethnische Minderheiten könnten überproportional häufig ins Visier geraten. Statewatch spricht von einem „klassischen Risikoprofilierungsdilemma“ – bei dem gesellschaftliche Ungleichheit durch Technologie zementiert werde.

Pilotprojekt mit halber Million Datensätze

Das System befindet sich laut Justizministerium noch im Forschungsstadium, doch bereits jetzt werde mit Daten von bis zu 500.000 Personen gearbeitet – aus unterschiedlichen Quellen. Genehmigt wurde das Projekt demnach unter Premierminister Rishi Sunak, der das Thema innere Sicherheit zu einem politischen Schwerpunkt erklärt hat.

Fazit: Sicherheit gegen Freiheit?

Das geplante Erkennungssystem wirft zentrale ethische Fragen auf: Wie weit darf der Staat in die Privatsphäre eingreifen, um potenzielle Verbrechen zu verhindern? Und wie objektiv kann ein Algorithmus urteilen, wenn die Realität sozialer Ungleichheit komplex ist?

Die Debatte um „präventive Strafverfolgung“ ist damit neu entfacht – mit einem Instrument, das für manche Sicherheit bedeutet, für andere eine gefährliche Verschiebung der Grenze zwischen Freiheit und Kontrolle.

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