Der Tod gehört zum Leben – und wie wir von unseren Verstorbenen Abschied nehmen, hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Rheinland-Pfalz geht nun einen mutigen Schritt weiter und reformiert ab Oktober 2025 sein Bestattungsgesetz. Es erlaubt neue, individuellere Formen des Abschieds – weit über den klassischen Friedhof hinaus.
Was bislang in Deutschland undenkbar war, wird nun Realität: Die Asche eines Verstorbenen darf künftig unter bestimmten Bedingungen mit nach Hause genommen, unter einem Apfelbaum verstreut oder sogar in einen Erinnerungsdiamanten verwandelt werden. Auch Flussbestattungen und das Einwickeln in ein Tuch statt einen Sarg sind jetzt möglich. Rheinland-Pfalz ist nach Sachsen-Anhalt das zweite Bundesland, das das jahrzehntelang geltende Friedhofsgebot aufbricht.
Wandel der Abschiedskultur
„Die Menschen wollen heute selbst entscheiden, wie sie leben – und wie sie sterben“, sagt Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. Die Gesellschaft sei individueller geworden, religiöse Rituale spielten oft nur noch eine Nebenrolle. Stattdessen entstünden neue Wege der Trauerbewältigung – persönlicher, flexibler, lebensnäher.
Ein Trend, der sich auch statistisch zeigt: Während 2012 noch rund 36 Prozent der Verstorbenen in einem Sarg beerdigt wurden, waren es 2023 nur noch 20 Prozent. Feuerbestattungen mit vielfältigen Beisetzungsformen – vom Friedwald bis zur Seeurne – gewinnen rasant an Bedeutung.
Friedhöfe geraten unter Druck
Diese Entwicklung stellt auch viele Friedhöfe vor Herausforderungen. In Umfragen gaben bereits 2022 drei Viertel der Befragten an, dass sie den klassischen Friedhofszwang für veraltet halten. Nur noch 12 Prozent wünschten sich eine traditionelle Erdbestattung, aber 25 Prozent bevorzugten eine pflegefreie Waldbeisetzung.
Für viele Familien ist die regelmäßige Grabpflege heute kaum noch machbar. Die Angehörigen wohnen oft weit verstreut, beruflich gebunden oder sind selbst nicht mehr mobil genug. „Pflegefreiheit“ ist deshalb ein starkes Argument für alternative Bestattungsformen.
Urne zu Hause? Bald kein Problem mehr
Das neue Gesetz in Rheinland-Pfalz geht auf diesen Wandel ein: Künftig können Menschen zu Lebzeiten festlegen, dass ihre Urne der Familie ausgehändigt werden soll – für die Wohnung, das Familiengrab im Garten oder eine symbolische letzte Reise. Auch das Entnehmen kleiner Mengen Asche für Erinnerungsstücke ist erlaubt – etwa für Schmuck, kleine Skulpturen oder Medaillons.
„Diese Möglichkeiten spiegeln den Wunsch nach Nähe und persönlichem Gedenken wider“, sagt Neuser. In vielen Trauergesprächen sei der Wunsch, die Urne zumindest vorübergehend bei sich zu haben, ein wiederkehrendes Thema.
Bedeutung der Vorsorge wächst
Wichtig ist dabei: Nur wer zu Lebzeiten entsprechende Verfügungen trifft, kann sicherstellen, dass der eigene Wille umgesetzt wird. Der Bestatterverband rechnet deshalb mit wachsender Nachfrage nach Bestattungsvorsorge und ausführlicher Beratung.
Denn trotz aller neuen Freiheiten bleibt eines zentral: Der Abschied soll helfen, den Verlust zu verarbeiten. Dazu gehört oft auch das bewusste Verabschieden am offenen Sarg oder die Gestaltung einer persönlichen Zeremonie. „Was den Menschen guttut und rechtlich möglich ist, das sollte auch umgesetzt werden dürfen“, so Neuser.
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