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Kritisches Interview mit Thomas Bremer zu Robert Habecks Zehn-Punkte-Plan

Tumisu (CC0), Pixabay
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Moderator: Herr Bremer, Robert Habeck hat mit seinem Zehn-Punkte-Plan zur Migrationspolitik für viel Aufregung gesorgt – sowohl in seiner eigenen Partei als auch in der Öffentlichkeit. Er fordert unter anderem eine „Vollstreckungsoffensive“ bei Abschiebungen. Wie bewerten Sie das?

Thomas Bremer: Nun, das ist eine bemerkenswerte Kehrtwende von jemandem, der einst für eine menschlichere und liberalere Migrationspolitik stand. Wenn der Kanzlerkandidat der Grünen jetzt Begriffe verwendet, die klingen, als kämen sie direkt aus einem CDU-Parteitag, dann muss man sich schon fragen: Wer ist eigentlich noch Habeck, und wo fängt Merz an?

Moderator: Die Grünen argumentieren, dass es eine Abgrenzung zur Union gibt und Habeck lediglich eine realpolitische Antwort auf drängende Sicherheitsfragen liefert. Ist das nicht legitim?

Thomas Bremer: Realpolitik darf nicht heißen, dass man plötzlich mit populistischen Forderungen Wahlkampf betreibt. Der Zeitpunkt ist ja kein Zufall: Die Union macht Migration zum zentralen Wahlkampfthema, und Habeck kontert mit einem Vorschlag, der teilweise härter klingt als das, was Merz bisher gefordert hat. Das ist nicht nur taktisch fragwürdig, sondern auch gefährlich. Denn wenn sich selbst die Grünen sprachlich und inhaltlich in Richtung Abschottung bewegen, wer bleibt dann noch als glaubwürdige Stimme für eine humane Flüchtlingspolitik?

Moderator: Aber ist es nicht sinnvoll, sich der Realität zu stellen? Sicherheitsbehörden weisen ja selbst darauf hin, dass es offene Haftbefehle gegen Extremisten gibt und dass eine konsequentere Abschiebepraxis notwendig wäre.

Thomas Bremer: Natürlich muss man Probleme ansprechen. Aber es geht um die Frage: Mit welcher Rhetorik? Mit welchen Maßnahmen? Und vor allem: In welchem Kontext? Wir haben gerade eine riesige gesellschaftliche Mobilisierung gegen einen Rechtsruck erlebt – und was macht Habeck? Er setzt mit seinem Vorstoß ein Signal, das diesen Protesten geradezu ins Gesicht schlägt. Es entsteht der Eindruck, als würden sich alle Parteien nun überbieten, wer am härtesten gegen Migration vorgeht. Das spielt genau den Kräften in die Hände, gegen die doch angeblich alle kämpfen wollen.

Moderator: Die Grüne Jugend hat Habeck bereits heftig kritisiert und von einem „Wortbruch“ gesprochen. Glauben Sie, dass es innerhalb der Partei jetzt zu einer Zerreißprobe kommt?

Thomas Bremer: Das hängt davon ab, wie die Parteispitze darauf reagiert. Momentan sieht es so aus, als würde man versuchen, den Schaden zu begrenzen, indem man Habecks Vorschläge auf der eigenen Website ein wenig anders formuliert als in der „Bild“-Zeitung. Aber das Problem ist ja nicht nur die Sprache – es sind die Inhalte. Wenn Habeck tatsächlich eine härtere Gangart bei Abschiebungen fordert, dann kann das den innerparteilichen Konflikt nicht mehr überdeckt werden.

Moderator: Es gibt Stimmen, die sagen, Habeck wolle mit seinem Kurs auch Wählerinnen und Wähler aus der politischen Mitte gewinnen – insbesondere enttäuschte Merkel-Anhänger. Ist das eine clevere Strategie?

Thomas Bremer: Vielleicht kurzfristig. Aber langfristig? Ich habe da große Zweifel. Wer Abschiebepolitik im Stil der Union will, der wählt lieber gleich das Original. Gleichzeitig verliert Habeck mit so einer Strategie die eigenen Kernwähler, vor allem die jüngere Generation. Die Grünen haben sich immer als Partei der Menschlichkeit und des Asylrechts dargestellt. Wenn sie das jetzt aufweichen, könnten sie auf lange Sicht ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen.

Moderator: Was müsste Habeck tun, um diese Debatte wieder in eine Richtung zu lenken, die seiner Partei nicht schadet?

Thomas Bremer: Erstens: Er müsste klarstellen, dass eine Sicherheitsoffensive nicht bedeutet, sich in einer Law-and-Order-Rhetorik zu verlieren. Zweitens: Er müsste zeigen, dass er sich weiterhin für eine humane Flüchtlingspolitik einsetzt und nicht einfach nur Angst vor der Union hat. Und drittens: Vielleicht sollte er sich überlegen, ob die „Bild“-Zeitung wirklich der richtige Ort ist, um über komplexe Themen wie Migration zu sprechen.

Moderator: Also mehr Besonnenheit statt populistischer Schlagzeilen?

Thomas Bremer: Genau. Politik braucht Haltung – keine hektischen Anpassungen an den Wahlkampf der Konkurrenz.

Moderator: Vielen Dank für das Gespräch!

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