Startseite Interviews „Kreditkarte statt Kassensturz?“ – Ein Gespräch mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev über die Schuldenfalle Plastikgeld
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„Kreditkarte statt Kassensturz?“ – Ein Gespräch mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev über die Schuldenfalle Plastikgeld

jarmoluk (CC0), Pixabay
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Redaktion: Frau Bontschev, laut einer aktuellen BaFin-Erhebung nutzen viele Menschen ihre Kreditkarte auch dann, wenn das Konto leer ist. Ist das klug oder eher riskant?

Kerstin Bontschev: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Kreditkarten bieten zweifellos Flexibilität – sie sind bequem, weit verbreitet und können in Notfällen helfen. Aber genau das birgt das Risiko: Wer sie regelmäßig zur Überbrückung von finanziellen Engpässen nutzt, rutscht schnell in die Schuldenfalle – oft ohne es sofort zu merken.

Redaktion: Besonders problematisch scheint dabei die Teilzahlungsfunktion zu sein – viele wissen nicht mal, dass sie aktiviert ist?

Kerstin Bontschev: Ganz genau. Viele echte Kreditkarten haben standardmäßig eine Ratenzahlung aktiviert – und das oft ohne dass Verbraucher es bewusst auswählen. Laut BaFin wussten 70 Prozent der Befragten gar nicht, wie hoch die Zinsen sind, die sie zahlen. Und das kann teuer werden! Denn die Zinssätze liegen oft zwischen 12 und 18 Prozent pro Jahr. Wer da nicht aufpasst, finanziert sich den neuen Fernseher teurer als geplant.

Redaktion: Könnte man sagen, die Kreditkarte verführt zum Geldausgeben?

Kerstin Bontschev: Absolut. Die Kreditkarte ist wie eine freundliche Stimme im Portemonnaie, die sagt: „Kein Problem, gönn dir!“ – obwohl das Konto eigentlich „Nein“ schreit. Das verführt, besonders bei Online-Shopping oder unerwarteten Ausgaben. Das Schlimme: Man spürt die Ausgabe nicht sofort. Die Rechnung kommt erst später – mit oder ohne Zinsen.

Redaktion: Was raten Sie als Juristin: Kreditkarte lieber ganz meiden?

Kerstin Bontschev: Nicht zwingend. Aber sie sollte mit Bedacht genutzt werden. Ich rate zu sogenannten Charge Cards, bei denen man am Monatsende alles auf einmal zahlt – ohne Zinsen. So bleibt der Überblick erhalten. Die Teilzahlungsfunktion sollte man nur in echten Notfällen aktivieren – und dann ganz genau auf die Konditionen achten. Wichtig ist: Transparenz, Disziplin und Finanzbildung.

Redaktion: Laut Umfrage glauben viele, ihre Kreditkartenausgaben „im Griff“ zu haben – aber in der Realität zeigt sich oft das Gegenteil …

Kerstin Bontschev: Ja, das ist das bekannte Dilemma: Überschätztes Finanzwissen. Viele denken, sie wissen, wie Kreditzinsen funktionieren – aber bei konkreten Rechenaufgaben versagen 80 Prozent. Es fehlt oft am Basiswissen – und daran, dass Banken nicht unbedingt Interesse daran haben, ihre Zinspolitik groß zu erklären.

Redaktion: Was sind typische rechtliche Probleme im Zusammenhang mit Kreditkarten?

Kerstin Bontschev: Häufig melden sich Mandanten, die unverständliche Abrechnungen erhalten haben, plötzlich überhöhte Zinsen zahlen sollen oder sogar mit der Kontosperrung konfrontiert sind. Dann geht es um Vertragsprüfung, manchmal auch um unzulässige Geschäftsbedingungen oder mangelnde Aufklärung. In Extremfällen kommt es zur Überschuldung und dann droht sogar die Privatinsolvenz.

Redaktion: Ihr persönlicher Rat an alle, die derzeit knapp bei Kasse sind?

Kerstin Bontschev: Kreditkarte nur dann nutzen, wenn man sicher ist, den Betrag kurzfristig zurückzahlen zu können. Sonst lieber Alternativen prüfen: Ratenkredite mit festen Zinssätzen, Budgetberatung oder bei ernsthaften Problemen auch Schuldnerberatung. Und ganz wichtig: Niemals mehrere Kreditkarten gleichzeitig als „Notnagel“ verwenden. Das ist wie drei Eimer Wasser in ein sinkendes Boot zu schütten – es hilft nicht.

Redaktion: Vielen Dank für die klaren Worte, Frau Bontschev. Hoffentlich lesen viele dieses Interview bevor sie den Einkaufswagen voll machen!

Kerstin Bontschev (lacht): Das hoffe ich auch. Kreditkarten sind keine Zauberstäbe – sondern Werkzeuge, die man klug einsetzen muss. Sonst werden sie schnell zum Bumerang.

Fazit der Redaktion:
Kreditkarten sind praktisch, aber kein Spielgeld. Wer sie sinnvoll nutzt, profitiert – wer sie als Geldquelle missversteht, riskiert teure Konsequenzen. Wissen schützt – und vielleicht auch ein Taschenrechner.

 

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