Ein leergeräumtes Konto und keine Hilfe von der Bank – für viele Kunden ein Albtraum, der immer häufiger Realität wird. Mithilfe täuschend echter Phishing-Fallen, oft unterstützt durch Künstliche Intelligenz, plündern Online-Betrüger Konten. Und die Banken? Sie weisen jede Verantwortung von sich und werfen den Opfern stattdessen grob fahrlässiges Verhalten vor. Doch wie gerecht ist das?
Die perfekte Falle: Wie Betrüger Konten ausräumen
Ein Beispiel zeigt, wie trickreich die Maschen der Kriminellen sind: Eine Bankkundin konnte plötzlich nicht mehr auf ihr Konto zugreifen. Nachdem sie bei ihrer Bank nicht durchkam, erhielt sie wenig später einen Rückruf von einer vermeintlichen Mitarbeiterin. Diese forderte die Kundin auf, ihre Banking-App neu zu installieren – natürlich in bester, vertrauenswürdiger Tonlage und mit all ihren persönlichen Daten parat. Wenig später war das Konto leer, mehrere Tausend Euro fehlten.
Der Rückruf kam jedoch nicht von der Bank, sondern von Betrügern. Mithilfe gefälschter Telefonnummern und KI-generierter Szenarien setzen diese auf eine erschreckend professionelle Täuschung.
„Grobe Fahrlässigkeit“? Anwälte sehen das anders
Die Bank wies jede Verantwortung von sich und argumentierte, die Kundin habe sich grob fahrlässig verhalten. Das bedeutet, sie habe grundlegende Sorgfaltspflichten verletzt. Doch Anwälte, die ähnliche Fälle vertreten, widersprechen: „In vielen Situationen handeln die Opfer in gutem Glauben und können die betrügerischen Vorgänge technisch nicht durchschauen.“
Phishing-Angriffe und gefälschte Banking-Seiten sind mittlerweile so täuschend echt, dass selbst erfahrene IT-Nutzer Schwierigkeiten haben, sie zu erkennen. „Die Verantwortung kann hier nicht allein bei den Kunden liegen“, argumentieren Experten aus der Rechtsberatung.
Milliardenverluste durch Zahlungsbetrug
Laut der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) summierte sich der Zahlungsverkehrsbetrug in der EU allein im ersten Halbjahr 2023 auf rund zwei Milliarden Euro. Besonders alarmierend: In bis zu 80 Prozent der Fälle tragen die Kunden den Schaden.
Die Einführung der sogenannten starken Kundenauthentifizierung im Jahr 2019 sollte den Betrug eindämmen. Doch die EBA räumt ein, dass dies längst nicht ausreicht: „Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen bleibt der Betrug auf einem hohen Niveau und muss dringend weiter reduziert werden.“
Betrug per KI: Neue Dimension der Kriminalität
Eine der größten Herausforderungen im Kampf gegen Betrug ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz durch die Täter. Mit KI-unterstützten Tools können Kriminelle massenhaft Phishing-E-Mails erstellen, die täuschend echt wirken. Laut IT-Sicherheitsexperten gibt es im Dark Web unzählige Anbieter, die „Betrugs-Dienstleistungen“ anbieten. Für weniger als 1.000 Dollar können tausende Spam-Mails in die Postfächer potenzieller Opfer geschickt werden – und das ohne große technische Vorkenntnisse.
Diese sogenannten „Crime-as-a-Service“-Modelle machen es sogar Laien möglich, aufwendige Betrugsmaschen zu starten. Die Folge: Ein rasanter Anstieg der Fälle.
Die Forderung: Mehr Schutz für Kunden
Das Bundeskriminalamt (BKA) und die EBA fordern ein Umdenken: Banken und Zahlungsdienstleister müssten nicht nur mehr Verantwortung übernehmen, sondern auch aktiv präventive Maßnahmen einleiten, um Betrug frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Eine stärkere Regulierung und ein umfassendes Risikomanagement sollen helfen, die wachsende Bedrohung durch Online-Betrug einzudämmen.
Während Kunden oft allein gelassen werden, bleibt eines klar: Die Betrüger entwickeln sich schneller weiter als die Sicherheitsmaßnahmen. Die Frage bleibt, ob Banken bereit sind, ihre Systeme an die moderne Bedrohungslage anzupassen – oder ob die Kunden weiterhin die Leidtragenden bleiben.
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