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Ketamintherapie bei Jugendlichen: Hoffnung oder Risiko?

qimono (CC0), Pixabay
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Ein umstrittenes Medikament findet zunehmend Anwendung bei Jugendlichen mit schweren psychischen Erkrankungen – trotz fehlender Zulassung und unklarer Langzeitfolgen.

Eine Mutter war am Ende ihrer Kräfte. Die eigene Tochter litt seit Jahren unter Depressionen, Zwangsstörungen und traumatischen Belastungen. Verschiedene Antidepressiva, intensive Gesprächstherapien und ein mehrwöchiges ambulantes Programm hatten keine ausreichende Wirkung gezeigt.

Auf der Suche nach Alternativen stieß die Mutter auf Berichte über Ketamintherapie – eine Behandlungsmethode, die eigentlich für Erwachsene mit therapieresistenter Depression gedacht ist. Obwohl Ketamin in der Tiermedizin und Anästhesie bekannt ist, wird es inzwischen in spezialisierten psychiatrischen Kliniken auch für psychische Leiden eingesetzt.

Ungewöhnlich jung für die Therapie

Die Tochter war gerade einmal 16 Jahre alt, als die Behandlung mit Ketamin begann – deutlich jünger als die meisten Patient*innen, die in der Regel erst im Erwachsenenalter therapiert werden. Nach anfänglichen Stimmungsschwankungen und innerer Unruhe zeigte sich ab der siebten Sitzung eine deutliche Verbesserung des Allgemeinzustands. Besonders die zwanghaften Verhaltensmuster und die Reizempfindlichkeit besserten sich.

Wie wirkt Ketamin im Gehirn?

Ketamin beeinflusst andere Bereiche des Gehirns als klassische Antidepressiva. Es fördert die Freisetzung von Glutamat, was zur Bildung neuer Verbindungen zwischen Nervenzellen führen kann. Forschende sprechen von gesteigerter „neuronaler Plastizität“, also einer verbesserten Fähigkeit des Gehirns, sich anzupassen.

Einzelne Studien, etwa vom Yale Child Study Center, zeigen bei Jugendlichen mit therapieresistenter Depression eine schnelle, wenn auch zeitlich begrenzte Besserung nach Ketamininfusionen. Dennoch mahnen Expert*innen zur Vorsicht – besonders bei Heranwachsenden, deren Gehirne sich noch in der Entwicklung befinden.

Zulassung und Risiken

In den USA ist derzeit nur ein Nasenspray mit dem Wirkstoff Esketamin für Erwachsene zugelassen. Die verbreitetste Form der Therapie – intravenöse Ketamingaben – erfolgt off-label und ist für Minderjährige weder zugelassen noch umfassend erforscht. In Deutschland ist die Lage ähnlich: Ketamin wird unter ärztlicher Aufsicht vereinzelt eingesetzt, jedoch nicht standardmäßig in der Jugendpsychiatrie.

Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Schwindel, Übelkeit und ein Gefühl der Entfremdung. Bei regelmäßigem oder unsachgemäßem Gebrauch können langfristige Schäden auftreten, darunter Gedächtnisprobleme und ein erhöhtes Suchtrisiko.

Keine Wundermedizin

Die betroffene Familie berichtete, dass sich der Zustand der Tochter zwar deutlich verbessert habe, Ketamin aber kein Allheilmittel sei. Die Therapie werde weiterhin in Kombination mit Gesprächstherapie und anderen Medikamenten fortgeführt. Die Hoffnung auf eine vollständige Heilung habe sich nicht erfüllt – doch immerhin konnte ein stabilerer Alltag erreicht werden.

Die Entscheidung für Ketamin sei nicht leichtgefallen. Rückblickend stellen sich Fragen: War der Schritt zu früh? Hätte es andere Möglichkeiten gegeben? Doch in Anbetracht des vorangegangenen Leidensdrucks erscheint der gewählte Weg für die Familie als nachvollziehbar.

Fazit

Die Ketamintherapie bietet potenziell neue Wege für junge Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen – birgt aber erhebliche Risiken. Solange belastbare Langzeitstudien fehlen und keine offizielle Zulassung vorliegt, bleibt sie eine Einzelfallentscheidung, die mit großer Vorsicht und ärztlicher Begleitung getroffen werden sollte.

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