Im US-Bundesstaat Massachusetts steht eine Frau im Zentrum eines aufsehenerregenden Prozesses. Die 45-jährige Angeklagte wird beschuldigt, im Januar 2022 ihren Freund – einen Polizisten – mit ihrem SUV angefahren und anschließend im Schnee zurückgelassen zu haben. Die Anklage lautet auf Mord zweiten Grades, Totschlag unter Alkoholeinfluss und Fahrerflucht mit Todesfolge.
In ihrem zweiten Prozess – der erste endete 2023 ohne Einigung der Jury – liegt die Entscheidung nun erneut in den Händen von zwölf Geschworenen. Seit dem 13. Juni beraten sie über das Urteil.
Die Staatsanwaltschaft zeichnet das Bild eines eskalierten Beziehungsdramas: Nach einem Abend mit Alkohol und Eifersucht soll die Angeklagte ihren Freund beim Aussteigen vor einer Hausparty überfahren haben. Sie habe ihn anschließend verletzt in einer Schneeverwehung liegen lassen. Zeugenaussagen, Forensik, Fahrzeug- und Telefondaten sowie Aussagen der Angeklagten selbst – teils aus Medieninterviews – bilden das Rückgrat der Anklage.
Die Verteidigung stellt eine ganz andere Theorie auf: Die Polizei habe voreingenommen gegen die Angeklagte ermittelt und Hinweise auf ein mögliches Verbrechen innerhalb des Hauses ignoriert – etwa eine gewaltsame Auseinandersetzung mit anderen Anwesenden oder einen Angriff durch einen Hund. Zwar wurde der ursprünglich namentlich beschuldigte Hausbesitzer in diesem Verfahren nicht mehr direkt angeklagt, doch die Verteidigung nutzt eine sogenannte „Bowden-Verteidigung“: Sie argumentiert, dass die Polizei anderen möglichen Tätern nicht ausreichend nachgegangen sei.
Ein weiterer Streitpunkt im Prozess ist die Interpretation forensischer Spuren – unter anderem der beschädigten Rückleuchte des Fahrzeugs sowie des Verletzungsbildes des Opfers. Sowohl Anklage als auch Verteidigung führten Experten ins Feld, deren Aussagen sich widersprechen.
Laut Rechtsexperten hängt das Urteil stark davon ab, wie glaubwürdig die Jury die Aussagen der jeweiligen Sachverständigen findet – und ob sie berechtigte Zweifel an der Schuld der Angeklagten hegt. Für eine Verurteilung müssen die Geschworenen überzeugt sein, dass die Schuld „über jeden vernünftigen Zweifel hinaus“ nachgewiesen ist.
Das Verfahren hat in den USA für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt und die Öffentlichkeit gespalten. Ob es diesmal zu einem klaren Urteil kommt, bleibt abzuwarten. Die Beratungen der Jury dauern an.
Kommentar hinterlassen