Kanadas Premierminister Mark Carney steht vor einer schwierigen Aufgabe: Wenn er am Dienstag in Washington mit US-Präsident Donald Trump zusammentrifft, geht es für ihn nicht nur um Diplomatie – sondern um die wirtschaftliche Zukunft seines Landes.
Die kanadische Wirtschaft schwächelt deutlich. Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,1 Prozent, dem höchsten Stand seit neun Jahren. Seit Jahresbeginn ist sie um weitere 0,5 Prozentpunkte gestiegen. Hauptverantwortlich dafür sind laut Ökonomen die von Trump verhängten Strafzölle auf Autos, Stahl und Aluminium – zentrale Exportgüter Kanadas in die Vereinigten Staaten.
Nun droht die nächste Eskalation: Trump plant, ab kommender Woche auch auf kanadisches Holz und Schnittholz einen Zoll von 10 Prozent zu erheben – ein Schlag gegen einen der wichtigsten Industriezweige des Landes.
„Ein persönliches Gespräch mit Trump kann entscheidend sein“, sagt Inu Manak, Handelsexpertin beim US Council on Foreign Relations. „Carney steht unter enormem Druck, dieses Treffen für Kanada zu nutzen.“
Gespräch über Zölle und Ausnahmen
Bei dem Treffen im Weißen Haus will Carney nach Angaben seiner Regierung über Ausnahmen von sektoralen Zöllen verhandeln, um die Einkommen kanadischer Haushalte zu stabilisieren.
Ökonomen wie Jeffrey Schott vom Peterson Institute for International Economics warnen, dass Zölle auch indirekt die Preise in Kanada steigen lassen:
„Viele Rohstoffe überqueren die Grenze mehrfach, bevor ein Endprodukt fertig ist. Wenn an jeder Station Zölle anfallen, zahlen am Ende die Verbraucher.“
Trump sagte zu Beginn des Treffens, die USA würden Kanada „fair behandeln“ und kündigte ein „umfassendes“ Abkommen an, das auch den Agrarsektor und insbesondere die Milchwirtschaft umfassen solle – Details ließ er aber offen.
Druck auf das Handelsabkommen USMCA
Hinter den aktuellen Zöllen steht ein größeres strategisches Ziel. Im kommenden Jahr steht das von Trump 2020 ausgehandelte USMCA-Handelsabkommen (Nachfolger von NAFTA) zur Überprüfung an.
Obwohl viele kanadische und mexikanische Produkte weiterhin zollfrei in die USA exportiert werden dürfen, nutzt Trump die neuen Strafzölle offenbar als Druckmittel, um Neu-Verhandlungen des Abkommens zu erzwingen.
„Was auf dem Spiel steht, ist nicht weniger als der Fortbestand des USMCA“, sagt Schott. „Wenn Trump den Druck erhöht, könnte das Abkommen langsam ausgehöhlt oder ganz beendet werden.“
Handelsexpertin Manak glaubt nicht, dass Trump das Abkommen in seiner bisherigen Form verlängern will. Vielmehr werde er es als „dauerhaftes Druckmittel“ einsetzen – gegen Kanada wie auch gegen Mexiko.
Bilaterale Deals als möglicher Ausweg
Für Premierminister Carney bedeutet das: Er muss bereits jetzt mit Blick auf bilaterale Vereinbarungen planen – etwa ein separates Freihandelsabkommen zwischen Kanada und den USA, falls das USMCA tatsächlich zerfällt.
Carneys Ziel sei es, zumindest in den Schlüsselbranchen – Holz, Automobil, Aluminium und Landwirtschaft – Ausnahmen oder Zollsenkungen zu erreichen, um Kanadas Wirtschaft zu entlasten.
„Kanada muss weg von einer Anti-Trump-Strategie hin zu einer Pro-Kanada-Strategie“, so Manak. „Die Menschen spüren die Inflation, die Jobverluste, die Unsicherheit. Jetzt zählt, was im Alltag ankommt.“
Hintergrund: Kanadas Wirtschaft unter Druck
- Arbeitslosenquote: 7,1 %, höchster Stand seit 2016
- Industrien betroffen: Automobil, Stahl, Aluminium, Holz
- Handelsvolumen mit den USA: rund 900 Milliarden US-Dollar jährlich
- Hauptziel Carneys: Sicherung des Zugangs zum US-Markt, Senkung der Zölle und Stärkung des Lohnwachstums
Fazit:
Kanadas Premierminister Mark Carney steht vor einem der wichtigsten Treffen seiner Amtszeit. Während seine Wirtschaft schwächelt und der Druck aus Washington zunimmt, hängt die Zukunft des nordamerikanischen Freihandels an einem fragilen Faden – und an der Kunst, mit Donald Trump zu verhandeln.
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