Gesprächspartner: Rechtsanwalt Maurice Högel, Fachanwalt für Sozialrecht
Frage: Herr Högel, viele Menschen haben großen Respekt vor dem Schritt ins Pflegeheim. Warum ist der Vertrag mit der Einrichtung so wichtig?
Högel: Der Pflegeheimvertrag ist die Grundlage für alles: Er legt fest, welche Leistungen das Heim erbringt, welche Kosten entstehen und welche Rechte und Pflichten beide Seiten haben. Wer hier ungenau liest oder vorschnell unterschreibt, kann schnell in eine Kostenfalle geraten oder Leistungen nicht einfordern, die eigentlich zugesagt waren.
Frage: Was schreibt das Gesetz konkret vor?
Högel: Das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz gibt klare Vorgaben: Im Vertrag muss genau stehen, welche Leistungen erbracht werden, welche Kosten zu zahlen sind, wie die vorvertraglichen Informationen einbezogen werden – und ob das Heim bereit ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
Frage: Welche Punkte bei den Leistungen sollte man besonders prüfen?
Högel: Ganz wichtig sind die vorvertraglichen Informationen. Dort steht, wie groß der Wohnraum ist, welche Ausstattung das Zimmer hat, welche Mahlzeiten vorgesehen sind und welche Pflege- und Betreuungsleistungen konkret erbracht werden. Diese Angaben sind bindend. Weicht der eigentliche Vertrag davon ab, muss das Heim dies ausdrücklich markieren – etwa durch Fettdruck oder Unterstreichungen. Leider übersehen viele Angehörige solche Abweichungen.
Frage: Und wie sieht es bei den Kosten aus?
Högel: Der Vertrag muss den Gesamtbetrag und die einzelnen Kostenbestandteile klar nennen: Pflege- und Betreuungsleistungen, Unterkunft, Verpflegung, Investitionskosten, Ausbildungsumlage und eventuelle Zusatzleistungen. Heimbewohner:innen müssen nur das zahlen, was im Vertrag vereinbart ist – nicht mehr. Deshalb sollte man die Zahlen ganz genau prüfen.
Frage: Oft werden Angehörige gebeten, zusätzliche Erklärungen zu unterschreiben. Wie ist das rechtlich zu bewerten?
Högel: Da muss man sehr vorsichtig sein. Manche Heime legen sogenannte Schuldbeitrittserklärungen oder Haftungsübernahmen vor, mit denen Angehörige für die Zahlungen der Bewohner:innen einstehen sollen. Ob diese Praxis überhaupt rechtmäßig ist, ist derzeit rechtlich umstritten. Ich rate klar: Unterschreiben Sie so etwas nicht ungeprüft.
Frage: Welche Rolle spielt die Vertragsdauer?
Högel: Standard ist ein unbefristeter Vertrag, da die meisten Bewohner:innen dauerhaft im Heim bleiben. Befristete Verträge sind nur sinnvoll, wenn sie im Interesse des Bewohners liegen, zum Beispiel um eine Wartezeit zu überbrücken.
Frage: Wie muss der Vertrag abgeschlossen werden?
Högel: Schriftlich, auf Papier und mit Unterschrift. Eine E-Mail reicht nicht. Jeder Bewohner oder seine bevollmächtigte Person muss ein unterschriebenes Exemplar erhalten. Wird die Schriftform nicht eingehalten, ist der Vertrag zwar wirksam – aber die Bewohner:innen haben dann ein Sonderkündigungsrecht, bis die Schriftform nachgeholt wird.
Frage: Was gilt, wenn man für ein Familienmitglied unterschreibt?
Högel: Dann unbedingt den Zusatz „in Vertretung“ bei der Unterschrift hinzufügen. Sonst sieht es so aus, als ob Sie selbst Vertragspartner werden – und damit auch zahlungspflichtig. Auch im Vertrag sollte klar stehen: „Vertragspartei ist Frau/Herr XY, vertreten durch …“.
Frage: Ihr wichtigster Rat in einem Satz?
Högel: Lesen Sie den Pflegeheimvertrag aufmerksam, vergleichen Sie ihn mit den vorvertraglichen Informationen und unterschreiben Sie nichts – schon gar keine Zusatzvereinbarungen –, ohne genau zu wissen, welche Verpflichtungen Sie eingehen.
👉 Fazit von Rechtsanwalt Högel:
Der Pflegeheimvertrag ist kein „Formularvertrag nebenbei“. Wer ihn sorgfältig prüft, schützt sich und seine Angehörigen vor unerwarteten Kosten und sorgt dafür, dass zugesagte Leistungen auch wirklich erbracht werden.
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