Redaktion: Herr Bremer, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dubiosen Finanzangeboten. Was sind die häufigsten Maschen, mit denen Betrüger derzeit arbeiten?
Thomas Bremer: Die Methoden werden immer raffinierter, aber das Grundprinzip ist meist dasselbe: Die Täter wecken mit geschicktem Marketing hohe Erwartungen und setzen potenzielle Anleger gezielt unter Druck. Besonders oft sehe ich Fälle, in denen über soziale Medien oder gefälschte Werbeanzeigen mit angeblichen Empfehlungen von Prominenten geworben wird. Diese Promis wissen in der Regel gar nichts davon. Es wird suggeriert: „Hier gibt es eine schnelle, sichere Geldanlage mit hohen Renditen.“ Und genau das ist das Problem – diese Kombination gibt es schlicht nicht.
Redaktion: Welche Warnzeichen sollten Anleger besonders ernst nehmen?
Thomas Bremer: Ein Warnzeichen ist zum Beispiel, wenn man plötzlich einen unerbetenen Anruf bekommt – sogenanntes Cold Calling. Solche Anrufe sind in Deutschland verboten. Auch E-Mails mit „Geheimtipps“, Einladungen in Messenger-Dienste oder die Aufforderung, einen Fernzugriff auf den eigenen Computer zuzulassen – das sind alles sehr klare Alarmsignale. Wer so vorgeht, hat fast nie gute Absichten. Auch der Druck, schnell zu investieren, etwa „nur noch heute gültig“ oder „nur für wenige Kunden“ – das dient allein dazu, den kritischen Verstand auszuschalten.
Redaktion: Viele Angebote wirken auf den ersten Blick sehr professionell. Wie kann man als Laie zwischen seriös und unseriös unterscheiden?
Thomas Bremer: Das ist tatsächlich schwer, denn die Webseiten der Betrüger sehen oft täuschend echt aus. Ein wichtiger erster Schritt ist: Recherchieren Sie den Anbieter. Googeln Sie den Namen, prüfen Sie ihn auf der BaFin-Website, lesen Sie Erfahrungsberichte und Warnhinweise. Achten Sie auf Details wie die Schreibweise der E-Mail-Adresse oder den Sitz des Unternehmens – wenn das Geld ins Ausland gehen soll, wird es besonders riskant. Und ganz wichtig: Verstehen Sie, worin Sie investieren! Wenn Ihnen jemand ein Produkt erklärt, das Sie nach zehn Minuten immer noch nicht durchschauen, dann ist das kein gutes Zeichen.
Redaktion: Stichwort BaFin – welche Rolle spielt sie beim Verbraucherschutz?
Thomas Bremer: Die BaFin ist die zentrale Aufsichtsbehörde für Banken, Versicherer und viele Finanzdienstleister. Sie kann Warnungen aussprechen, Anbieter überprüfen und auch einschreiten, wenn jemand ohne Erlaubnis Finanzdienstleistungen anbietet. Die BaFin schützt aber nicht jeden Einzelnen. Wenn jemand Opfer eines Betrugs wird, muss er sich an die Polizei oder eine Verbraucherzentrale wenden. Deshalb ist es so wichtig, sich vorher selbst zu informieren – auch mit den öffentlich zugänglichen Warnlisten der BaFin.
Redaktion: Ein Thema, das oft übersehen wird, ist der sogenannte „graue Kapitalmarkt“. Was steckt dahinter?
Thomas Bremer: Das ist ein gefährlicher Bereich. Hier tummeln sich Anbieter, die keine Erlaubnis der BaFin benötigen, aber trotzdem Geld von Anlegern einsammeln – zum Beispiel für Nachrangdarlehen, Genussscheine oder Direktinvestments. Diese Produkte klingen oft harmlos, bergen aber enorme Risiken. Im schlimmsten Fall ist das ganze Geld weg. Und weil der Anbieter nicht unter staatlicher Aufsicht steht, gibt es keine Absicherung, keine Kontrolle, keine Rückversicherung für die Anleger. Ich sage immer: Wenn Sie den Anbieter nicht gut kennen – Hände weg vom grauen Kapitalmarkt.
Redaktion: Was empfehlen Sie Menschen, die bereits investiert haben und nun ein schlechtes Gefühl haben?
Thomas Bremer: Dann gilt: Schnell handeln. Sichern Sie alle Unterlagen, kommunizieren Sie nur noch schriftlich und prüfen Sie, ob Sie das Geld zurückbekommen können. Informieren Sie Ihre Bank, wenn Sie Zahlungen veranlasst haben. Und: Erstatten Sie Anzeige bei der Polizei. Viele trauen sich das nicht, aus Scham – aber genau damit rechnen die Täter. Es ist keine Schande, auf einen Betrug hereinzufallen. Die Schande liegt bei den Tätern.
Redaktion: Und was ist Ihr wichtigster Ratschlag für Anlegerinnen und Anleger?
Thomas Bremer: Investieren Sie nie in etwas, das Sie nicht verstehen. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Und glauben Sie nicht an märchenhafte Versprechen. Je höher der Gewinn klingt, desto höher ist meistens das Risiko – oder der Betrug. Nutzen Sie neutrale Informationsquellen wie die BaFin, die Verbraucherzentralen oder auch kritische Portale wie diebewertung.de. Wer sich informiert, schützt sich am besten.
Redaktion: Herr Bremer, vielen Dank für das Gespräch – und für Ihr Engagement gegen Finanzbetrug.
Thomas Bremer: Sehr gern. Und mein Appell an alle: Seien Sie skeptisch – nicht ängstlich, aber aufmerksam.
💡 Hinweis für Leserinnen und Leser:
Auf der Website der BaFin (www.bafin.de) sowie bei Verbraucherzentralen finden Sie aktuelle Warnungen und viele Tipps zum Thema Geldanlage. Im Zweifel: lieber einmal zu viel gefragt als einmal zu wenig.
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