Startseite Allgemeines Interview mit Rechtsanwalt Michael Iwanow von Cramer Rechtsanwälte, Dresden
Allgemeines

Interview mit Rechtsanwalt Michael Iwanow von Cramer Rechtsanwälte, Dresden

Visiventas (CC0), Pixabay
Teilen

Frage: Herr Iwanow, die BaFin hat einen Verdacht gegen die DN Deutsche Nachhaltigkeit AG geäußert. Es geht um den Vorwurf, die Unternehmensanleihe 2024/2029 ohne gültigen Prospekt öffentlich angeboten zu haben. Was bedeutet das konkret?

Michael Iwanow: Die BaFin hat den Verdacht, dass die DN Deutsche Nachhaltigkeit AG gegen die Prospektpflicht nach der EU-Prospektverordnung verstoßen hat. Grundsätzlich dürfen Wertpapiere in Deutschland nur dann öffentlich angeboten werden, wenn ein von der BaFin gebilligter und gültiger Prospekt vorliegt. Im konkreten Fall geht es um eine Anleihe, deren Prospekt am 2. Mai 2024 von der luxemburgischen Aufsichtsbehörde gebilligt und nach Deutschland notifiziert wurde. Allerdings war dieser Prospekt nur bis zum 2. Mai 2025 gültig. Sollte die Anleihe danach noch öffentlich angeboten worden sein, wäre dies ein Verstoß gegen die Prospektpflicht.

Frage: Was sind die rechtlichen Konsequenzen für die DN Deutsche Nachhaltigkeit AG, wenn sich der Verdacht bestätigt?

Michael Iwanow: Wenn sich der Verdacht bestätigt, drohen empfindliche Sanktionen. Ein Verstoß gegen die Prospektpflicht kann mit einer Geldbuße von bis zu fünf Millionen Euro oder drei Prozent des Jahresumsatzes geahndet werden. Zudem kann die Strafe bis zum Zweifachen des aus dem Verstoß erzielten wirtschaftlichen Vorteils betragen. Neben der finanziellen Sanktion ist auch der Reputationsschaden erheblich. Darüber hinaus können betroffene Anleger unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen die Emittentin geltend machen, wenn ihnen durch das unzulässige Angebot ein Schaden entstanden ist.

Frage: Was bedeutet das für die Anleger, die in die Unternehmensanleihe 2024/2029 investiert haben?

Michael Iwanow: Anleger sollten zunächst Ruhe bewahren und die weitere Entwicklung verfolgen. Wichtig ist, dass sie prüfen, wann genau sie die Anleihe erworben haben und ob der Erwerb möglicherweise während des Zeitraums stattgefunden hat, in dem kein gültiger Prospekt vorlag. Gegebenenfalls könnten sie Ansprüche auf Rückabwicklung oder Schadensersatz geltend machen. Es empfiehlt sich, anwaltlichen Rat einzuholen, um die individuellen Handlungsmöglichkeiten zu prüfen.

Frage: Welche Schritte sollten betroffene Anleger jetzt konkret unternehmen?

Michael Iwanow: Zunächst sollten Anleger alle Unterlagen zur Anleihe, insbesondere Zeichnungsscheine, Kaufverträge und Prospekte, sorgfältig durchsehen. Falls Unklarheiten bestehen, sollte eine fachkundige Überprüfung erfolgen. Zudem ist es ratsam, die Kommunikation der BaFin zur weiteren Entwicklung im Auge zu behalten. Sollte die BaFin zu dem Ergebnis kommen, dass die Anleihe tatsächlich ohne gültigen Prospekt angeboten wurde, können Anleger Schadensersatzansprüche geltend machen.

Frage: Gibt es bereits Präzedenzfälle zu ähnlichen Verstößen?

Michael Iwanow: Ja, es gab in der Vergangenheit immer wieder Fälle, in denen Unternehmen Anleihen ohne gültigen Prospekt angeboten haben. In einigen Fällen konnten Anleger erfolgreich Schadensersatzansprüche durchsetzen, insbesondere wenn die Emittentin die Anleger nicht ausreichend über die Risiken informiert hat. Die Gerichte prüfen dabei insbesondere, ob den Anlegern ein finanzieller Nachteil entstanden ist und ob der fehlende Prospekt eine Rolle bei der Anlageentscheidung gespielt hat.

Frage: Was raten Sie Anlegern, die unsicher sind, ob sie betroffen sind?

Michael Iwanow: Der erste Schritt sollte eine rechtliche Beratung sein, um die individuelle Situation genau zu prüfen. Es ist wichtig, die Investition und die zugrunde liegenden Dokumente genau zu analysieren. Sollte sich herausstellen, dass die Anleihe während des fraglichen Zeitraums erworben wurde, kann eine anwaltliche Vertretung sinnvoll sein, um mögliche Schadensersatzforderungen durchzusetzen.

Frage: Vielen Dank, Herr Iwanow, für die ausführlichen Erläuterungen.

Michael Iwanow: Gern geschehen. Anleger sollten die Situation aufmerksam beobachten und sich rechtlich beraten lassen, um ihre Ansprüche zu sichern.

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

DN Deutsche Nachhaltigkeit AG: Verdacht auf öffentliches Angebot der Unternehmensanleihe 2024/2029 der DN Deutsche Nachhaltigkeit AG (ISIN DE000A383C76) ohne erforderlichen gültigen Prospekt

Die Finanzaufsicht BaFin hat den hinreichend begründeten Verdacht, dass die DN Deutsche Nachhaltigkeit AG in Deutschland Wertpapiere in Form einer Unternehmensanleihe 2024/2029 mit der ISIN DE000A383C76 ohne gültigen Prospekt öffentlich anbietet. Anhaltspunkte für eine Ausnahme von der Prospektpflicht sind nicht ersichtlich. Zwar gab es für diese Anleihe einen am 2. Mai 2024 von der zuständigen luxemburgischen Aufsichtsbehörde gebilligten Prospekt, der nach Deutschland notifiziert wurde. Dieser war jedoch gemäß Artikel 12 Absatz 1 VO lediglich bis Ablauf des 2. Mai 2025 gültig.

Zum Hintergrund:

In Deutschland dürfen Wertpapiere grundsätzlich nicht ohne die Veröffentlichung eines von der BaFin zuvor gebilligten und noch gültigen Prospekts öffentlich angeboten werden. Das öffentliche Angebot von Wertpapieren ohne einen gebilligten Prospekt stellt – sofern keine Ausnahme greift – einen Verstoß gegen die Prospektpflicht nach Artikel 3 Absatz 1 der EU-Prospektverordnung dar.

In einem Prospektbilligungsverfahren prüft die BaFin, ob der Prospekt die gesetzlich geforderten Mindestangaben enthält und ob sein Inhalt verständlich und kohärent (widerspruchsfrei) ist. Es gehört jedoch nicht zu ihren Aufgaben, die Prospektangaben auf inhaltliche Richtigkeit zu prüfen, die Seriosität des Emittenten zu beurteilen und das Produkt zu kontrollieren.

Anbieter und Emittenten haften für die pflichtwidrige Nichtveröffentlichung eines Prospekts (§ 14 Wertpapierprospektgesetz – WpPG). Die Prospektverantwortlichen haften für die Richtigkeit und Vollständigkeit der im Wertpapierprospekt getätigten Angaben (§§ 9 bzw. 10 WpPG).

Ein Verstoß gegen die Prospektpflicht kann mit einer Geldbuße von bis zu fünf Millionen Euro bzw. drei Prozent des Gesamtumsatzes des letzten Geschäftsjahres geahndet werden. Geldbußen können auch bis zum Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils verhängt werden.

Die BaFin rät Verbraucherinnen und Verbrauchern, Investitionen in Wertpapiere immer nur auf der Grundlage der erforderlichen Informationen zu tätigen.

Ob für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren ein gebilligter Prospekt bei der BaFin hinterlegt ist, können Sie in der Datenbank Hinterlegte Prospekte überprüfen. Ein Prospekt ist nach seiner Billigung grundsätzlich 12 Monate lang gültig.

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge
Allgemeines

Paragonix Edge: BaFin warnt vor der Website paragonixedge(.)app

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) warnt vor der Website paragonixedge(.)app. Nach Erkenntnissen...

Allgemeines

89,90 Euro einfach abgebucht: Neue Abo-Betrugsmasche trifft Verbraucher in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt häufen sich derzeit Fälle einer besonders dreisten Betrugsmasche: Verbraucher entdecken...

Allgemeines

Wenn Bewertungen zur Belastung werden: Unternehmen im Kampf gegen digitale Rufschädigung

Google-Bewertungen und Suchergebnisse sind für viele Unternehmen ein zweischneidiges Schwert: Einerseits bieten...

Allgemeines

Nick Reiner wegen Mordes an seinen Eltern Rob und Michele Reiner angeklagt – Anwalt spricht von „verheerender Tragödie“

Nach dem schockierenden Doppelmord an dem bekannten Regisseur Rob Reiner und seiner...