Frage: Herr Blazek, der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob Unternehmen ihre Geschäftsführer für Kartellbußgelder in Regress nehmen können, dem EuGH vorgelegt. Warum ist diese Frage so bedeutend?
Daniel Blazek: Die Frage ist deshalb entscheidend, weil sie direkt die persönliche Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für unternehmensbezogene Kartellverstöße betrifft. Kartellbußgelder sollen Unternehmen empfindlich treffen und eine abschreckende Wirkung haben. Wenn jedoch eine Regressmöglichkeit bestünde, könnte dies diese abschreckende Wirkung unterlaufen, indem die Verantwortung auf Einzelpersonen verlagert wird. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, ob es gerecht ist, dass eine Gesellschaft für das Verhalten ihrer leitenden Organe haften muss, ohne eine Möglichkeit zu haben, sich schadlos zu halten.
Frage: Das Bundeskartellamt hat gegen die beteiligte GmbH ein Bußgeld von 4,1 Mio. Euro verhängt. Ist es nicht naheliegend, dass das Unternehmen versuchen möchte, diese Summe vom verantwortlichen Geschäftsführer zurückzuerhalten?
Daniel Blazek: Das ist ein verständlicher Ansatz, denn die Gesellschafter und Aktionäre eines Unternehmens könnten es als unfair empfinden, wenn die Gesellschaft für die Pflichtverstöße eines Einzelnen zahlen muss. Gesellschaftsrechtlich gibt es durchaus eine Grundlage für Regressansprüche, da Geschäftsführer und Vorstände verpflichtet sind, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu handeln. Bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen – wie sie hier offenbar vorliegen – würde eine Haftung grundsätzlich in Betracht kommen.
Frage: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat jedoch entschieden, dass Geschäftsführer und Vorstände nicht für Kartellbußgelder haften. Warum?
Daniel Blazek: Das OLG Düsseldorf hat argumentiert, dass die Kartellbußen gerade das Vermögen des Unternehmens treffen sollen, um die gewünschte Abschreckung zu gewährleisten. Würde die Gesellschaft die Geldbuße durch Regress vom Geschäftsführer zurückfordern, würde dies den präventiven Charakter der Sanktion unterlaufen. Zudem könnte eine solche Praxis in der Praxis dazu führen, dass Manager gezwungen wären, sich gegen solche Risiken umfassend abzusichern, was wiederum neue Fragen aufwerfen würde.
Frage: Der EuGH muss nun entscheiden, ob das Unionsrecht eine solche Regressmöglichkeit verbietet oder zulässt. Wie könnte der EuGH argumentieren?
Daniel Blazek: Der EuGH könnte in zwei Richtungen argumentieren. Zum einen könnte er betonen, dass Kartellbußen ihre volle Wirkung nur entfalten, wenn sie das Unternehmen treffen. Das würde für ein Verbot der Regressnahme sprechen. Andererseits könnte er darauf hinweisen, dass nationale Rechtsvorschriften zur Organhaftung grundsätzlich nicht unterlaufen werden sollten, sodass eine individuelle Verantwortlichkeit von Geschäftsführern durchaus bestehen kann.
Frage: Welche Folgen hätte eine Entscheidung zugunsten oder gegen eine Regressmöglichkeit?
Daniel Blazek: Sollte der EuGH eine Regressmöglichkeit ausschließen, würde dies bedeuten, dass Unternehmen die finanziellen Folgen von Kartellverstößen ihrer leitenden Organe vollständig tragen müssen. Das könnte möglicherweise zu einer stärkeren internen Compliance führen, um solche Verstöße präventiv zu verhindern. Falls der EuGH dagegen Regress zulässt, könnte das zu einem erhöhten persönlichen Haftungsrisiko für Manager führen, was wiederum Auswirkungen auf deren Entscheidungsverhalten haben könnte. Denkbar wäre auch eine steigende Nachfrage nach speziellen D&O-Versicherungen, die solche Risiken abdecken.
Frage: Was bedeutet das für Unternehmen und ihre Geschäftsführer in der Praxis?
Daniel Blazek: Unternehmen müssen unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ihre internen Compliance-Mechanismen weiter stärken. Geschäftsführer und Vorstände sollten sich darüber im Klaren sein, dass ihr persönliches Risiko in derartigen Fällen erheblich sein kann. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH entscheidet, aber klar ist, dass die persönliche Haftung von Führungskräften zunehmend im Fokus der Gerichte steht.
Frage: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Blazek.
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