Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen rechtmäßig ist. Damit wurde der Versuch einer Gastronomin, die Steuer vor Gericht zu kippen, endgültig zurückgewiesen. Über die Bedeutung dieses Urteils und die Folgen für Unternehmen sprechen wir mit dem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Daniel Blazek.
„Städte werden diesem Beispiel folgen“
Frage: Herr Blazek, das Bundesverfassungsgericht hat die Tübinger Verpackungssteuer für rechtmäßig erklärt. Was bedeutet das konkret für Unternehmen, insbesondere für die Gastronomie?
Daniel Blazek: Diese Entscheidung ist ein starkes Signal an andere Kommunen, dass sie eigene Steuern auf Einwegverpackungen einführen können. Das bedeutet für Unternehmen, insbesondere für Schnellrestaurants, Bäckereien, Imbisse oder Cafés, dass sie mit steigenden Kosten rechnen müssen. Die Verpackungssteuer verteuert den Einsatz von Einwegverpackungen – das ist ja auch ihr Ziel. Wer weiterhin auf solche Materialien setzt, muss tiefer in die Tasche greifen.
Gastronomen haben nun zwei Möglichkeiten: Sie können die Steuer auf ihre Kunden umlegen, also die Preise erhöhen, oder sie suchen nach Alternativen wie Mehrwegsystemen. Letzteres ist natürlich mit Investitionen und organisatorischem Aufwand verbunden. Besonders kleinere Betriebe stehen damit vor einer Herausforderung.
„Eine finanzielle Belastung, aber kein Berufsverbot“
Frage: Kritiker der Steuer sagen, sie sei eine unzumutbare Belastung für Betriebe. Ist das Urteil aus wirtschaftlicher Sicht problematisch?
Blazek: Das Bundesverfassungsgericht hat sich genau mit dieser Frage beschäftigt. Entscheidend war dabei, ob die Steuer so hoch ist, dass sie Unternehmen faktisch aus dem Markt drängt. Denn das wäre ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit nach Artikel 12 des Grundgesetzes.
Die Richter kamen jedoch zu dem Schluss, dass die Steuer keine unzumutbare wirtschaftliche Belastung darstellt. Sie argumentieren, dass Betriebe Möglichkeiten haben, sich anzupassen – sei es durch eine Preisanpassung oder durch die Einführung von Mehrwegverpackungen. Eine reine Unannehmlichkeit oder eine Gewinnminderung sind rechtlich gesehen noch keine ausreichenden Gründe, eine Steuer zu kippen.
Natürlich kann die Steuer besonders für Betriebe mit niedrigen Margen spürbar sein. Aber eine existenzgefährdende Belastung konnte das Gericht nicht erkennen.
„Kein Konflikt mit Bundesrecht“
Frage: Eine der zentralen Argumente gegen die Steuer war, dass sie mit den bundesweiten Abfallgesetzen kollidiert. Wie hat das Gericht diesen Punkt bewertet?
Blazek: Das war tatsächlich ein entscheidender Punkt in der juristischen Debatte. In einem früheren Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht eine ähnliche Steuer in Kassel für verfassungswidrig erklärt, weil sie mit dem bundesweiten Abfallrecht kollidierte.
Aber die Situation hat sich inzwischen geändert: Das Bundesrecht sieht mittlerweile selbst steuerliche Anreize zur Müllvermeidung vor. Die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen verfolgt genau dieses Ziel. Das Gericht stellte klar, dass eine Kommune nicht gegen Bundesrecht verstößt, wenn sie eine eigene Steuer einführt, die mit den bundesweiten Umweltzielen übereinstimmt.
Ein weiteres wichtiges Argument war die sogenannte „Örtlichkeit“ der Steuer. Das Grundgesetz erlaubt Kommunen, lokale Verbrauchssteuern zu erheben, wenn der Verbrauch typischerweise innerhalb des Gemeindegebiets stattfindet. Das Gericht akzeptierte, dass Speisen und Getränke aus Einwegverpackungen in den meisten Fällen direkt in der Stadt verzehrt werden. Damit ist die Steuer rechtlich zulässig.
„Andere Städte könnten nachziehen“
Frage: Welche Auswirkungen hat das Urteil für andere Städte in Deutschland?
Blazek: Das Urteil dürfte eine Signalwirkung haben. Es zeigt anderen Kommunen, dass sie eigene Verpackungssteuern einführen können, ohne eine juristische Anfechtung fürchten zu müssen. Städte wie München, Berlin oder Hamburg könnten nun ähnliche Modelle prüfen.
Für die Gastronomiebranche bedeutet das, dass Einwegverpackungen in Zukunft wahrscheinlich in vielen Städten teurer werden. Unternehmen sollten also rechtzeitig überlegen, wie sie darauf reagieren.
„Juristische Angriffe auf einzelne Steuerbescheide möglich“
Frage: Können sich betroffene Unternehmen noch gegen die Steuer wehren? Gibt es rechtliche Möglichkeiten?
Blazek: Die Verfassungsbeschwerde gegen die Steuer wurde endgültig abgelehnt. Das heißt, die Steuer als solche bleibt bestehen.
Aber es gibt noch einen anderen Weg: Unternehmen können sich gegen einzelne Steuerbescheide wehren, wenn sie nachweisen können, dass die Steuer sie übermäßig belastet. Dafür müssten sie allerdings sehr genau darlegen, dass ihr Betrieb durch die Steuer unzumutbar beeinträchtigt wird. Ein pauschales „Das ist zu teuer für uns“ reicht da nicht aus.
Betriebe sollten auch prüfen, ob sie durch eine clevere betriebswirtschaftliche Anpassung – etwa durch Mehrwegverpackungen – die Steuer umgehen oder abmildern können.
„Fazit: Die Verpackungssteuer ist gekommen, um zu bleiben“
Frage: Was ist Ihr abschließendes Fazit zu diesem Urteil?
Blazek: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass kommunale Verpackungssteuern ein rechtlich gangbarer Weg sind. Das bedeutet für Unternehmen, dass Einwegverpackungen auf Dauer teurer werden und Mehrwegkonzepte an Bedeutung gewinnen.
Für Städte ist das Urteil eine Ermutigung, eigene Maßnahmen gegen Verpackungsmüll zu ergreifen. Das dürfte in den kommenden Jahren zu einer Vielzahl neuer Regelungen in deutschen Kommunen führen. Unternehmen sollten sich darauf einstellen und nach Lösungen suchen, um mit dieser neuen Realität umzugehen.
Frage: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Blazek!
Blazek: Sehr gerne!
Kommentar hinterlassen