Interviewer: Herr Blazek, die BaFin warnt vor unzureichender Geldwäscheprävention. Warum ist das Risiko nach wie vor so hoch?
Daniel Blazek: Es gibt mehrere Gründe: Erstens bleibt Deutschland als einer der größten Finanzmärkte Europas ein attraktiver Ort für Geldwäsche. Zweitens nutzen Kriminelle immer raffiniertere Methoden, um illegale Gelder in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen. Drittens sorgen geopolitische Krisen für eine Zunahme illegaler Finanzströme, zum Beispiel zur Terrorismusfinanzierung oder zur Umgehung von Sanktionen.
Interviewer: Wie groß ist das Problem konkret?
Daniel Blazek: 2023 wurden über 310.000 Verdachtsmeldungen aus dem Finanzsektor an die Financial Intelligence Unit (FIU) gemeldet. Das zeigt, dass das Problem nicht nur theoretisch ist – es gibt tatsächlich viele verdächtige Transaktionen. Besonders betroffen sind Banken, Finanzdienstleister und Versicherungen, aber auch Kryptodienstleister und Zahlungsanbieter.
Interviewer: Welche Methoden nutzen Kriminelle, um Geld zu waschen?
Daniel Blazek: Es gibt verschiedene Techniken, darunter:
- Hawala-Banking: Ein informelles Überweisungssystem, bei dem Geld außerhalb des regulären Bankensystems verschoben wird – ohne Belege oder Nachverfolgbarkeit.
- Loan Fronting: Banken vergeben Kredite im Auftrag von Investoren, deren Identität oft unklar ist.
- Kryptowährungen: Durch die Anonymität und globale Verfügbarkeit schwer nachzuverfolgen.
- Virtuelle IBANs (vIBANs): Diese ermöglichen es, Transaktionen schwerer zurückzuverfolgen und Identitäten zu verschleiern.
Interviewer: Warum ist Hawala-Banking besonders problematisch?
Daniel Blazek: Hawala basiert auf Vertrauen und persönlichen Netzwerken statt auf Bankkonten und Überweisungen. Das bedeutet, dass kein Geld tatsächlich über offizielle Banken fließt – es gibt also keine digitalen Spuren. Deshalb wird Hawala oft für Terrorismusfinanzierung, Drogenhandel und Schleuserkriminalität genutzt.
Interviewer: Welche neuen Risiken bringen Technologien wie Kryptowährungen und virtuelle IBANs mit sich?
Daniel Blazek: Kryptowährungen bieten Geldwäschern viele Möglichkeiten: Sie können Coins über verschiedene Wallets verschieben, in andere Kryptowährungen umwandeln oder über dezentrale Plattformen handeln – und das oft ohne Bankaufsicht.
Virtuelle IBANs sind ebenfalls problematisch, weil sie es ermöglichen, Zahlungen über Ländergrenzen hinweg zu verschleiern. Zum Beispiel kann eine vIBAN eine deutsche Nummer haben, obwohl das Konto eigentlich im Ausland geführt wird. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass die Transaktion innerhalb Deutschlands stattfindet, obwohl das Geld tatsächlich in ein anderes Land fließt.
Interviewer: Wie reagieren Banken und Behörden auf diese Bedrohungen?
Daniel Blazek: Die BaFin hat mehrere Maßnahmen ergriffen:
- Mehr Sonderprüfungen: 2025 wird sie mindestens 75 gezielte Prüfungen durchführen, um Schwachstellen aufzudecken.
- Überwachung von Zahlungsinstituten: Besonders kritisch werden Geschäftsmodelle geprüft, die anfällig für Geldwäsche sind.
- Stärkere Kontrolle von vIBANs: Eine Feldanalyse soll herausfinden, wie stark vIBANs in Deutschland genutzt werden und ob Missbrauch vorliegt.
- Neue europäische Aufsicht (AMLA): Ab 2025 wird eine neue EU-Behörde (Anti Money Laundering Authority) gemeinsam mit nationalen Aufsichtsbehörden stärker gegen Geldwäsche vorgehen.
Interviewer: Was können Banken und Finanzdienstleister tun, um sich besser zu schützen?
Daniel Blazek: Banken müssen ihre Transaktionsüberwachung verbessern und verdächtige Zahlungen früher erkennen. Dazu gehört:
- Besseres Monitoring: Ungewöhnliche Transaktionen sollten automatisch erkannt und geprüft werden.
- Schärfere KYC-Regeln („Know Your Customer“) für Kunden: Banken müssen genau wissen, wer hinter einer Zahlung steht.
- Mehr Schulungen für Mitarbeiter: Viele Geldwäschefälle könnten verhindert werden, wenn Bankangestellte verdächtige Aktivitäten besser erkennen.
- Strengere Kontrolle von Kryptotransaktionen und vIBANs: Diese Bereiche sind besonders anfällig für Missbrauch.
Interviewer: Was bedeutet das für Privatkunden?
Daniel Blazek: Viele Banken kontrollieren inzwischen stärker, wenn Kunden große Geldbeträge in bar einzahlen oder Geld ins Ausland überweisen. Es kann also vorkommen, dass eine Bank eine Transaktion blockiert oder nach dem Zweck einer Zahlung fragt. Das mag für ehrliche Kunden lästig sein, dient aber der Sicherheit des Finanzsystems.
Interviewer: Wird Geldwäsche jemals vollständig verhindert werden können?
Daniel Blazek: Wahrscheinlich nicht – Kriminelle werden immer neue Wege finden, um das System zu umgehen. Aber durch eine stärkere Regulierung, bessere Technologie und schärfere Kontrollen kann es deutlich schwieriger gemacht werden.
Interviewer: Herr Blazek, vielen Dank für das Gespräch!
Daniel Blazek: Sehr gerne!
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